
ZeM Mitteilungsheft Nr. 16 - Januar 1995
Redaktion: Joachim Stange-Elbe und Doris Elbe
Editorial
Nach fünf Jahren ZeM präsentiert sich das Mitteilungsheft in einem »neuen Gewand«. Layout und Typographie wurden von der neuen Redaktion grundlegend überarbeitet. Der Erscheinungsrhythmus - viermal pro Jahr - soll auch 1995 eingehalten werden. Dies kann jedoch nur gelingen, wenn wir als Komponisten und Produzenten Elektronischer Musik unsere Gedanken in Worte zu fassen versuchen. Neben Erfahrungsaustausch, Veranstaltungsrückblick und Mitteilungen rein technischer Art, soll das Mitteilungsheft in erster Linie ein Forum für die geistigen Hintergründe der Elektronischen Musik an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert sein.
Der Redaktion sind Artikel jederzeit herzlich willkommen: es genügt eine Diskette mit einem Text (bitte im ASCII-Format) oder eine Übermittlung via e-mail.
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Wichtige Mitteilung an alle LeserInnen dieser Mitteilungen
Aus gegebenem Anlaß möchte ZeM Bremen e.V. darauf hinweisen,
daß Urteile und Meinungen, die von Mitgliedern von ZeM Freiburg e.V.
in diesem Heft veröffentlicht werden, sich nicht unbedingt mit
Urteilen und Meinungen von ZeM Bremen e.V. decken.
Wir bitten die Personen und Institutionen, die sich hiervon in der letzten
Zeit negativ betroffen fühlten, zur Kenntnis zu nehmen, daß
verantwortlich für einen Artikel stets nur der/die Autor/in des Artikels
ist und sonst niemand.
Vor allem ZeM Bremen legt Wert auf die Tatsache, frei von Dogmen, Pauschalurteilen
und Gruppenzwang zu sein. Uns geht es um Musik und um die Menschen, die
sie hören. Nicht um irgendwelche Hahnenkämpfe zwischen den Institutionen.
Erwin Koch-Raphael im Dezember 1994
(Schriftleiter von ZeM Bremen e.V)
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Torbe Reyber
Die Synthesizerausstellung am 9.10.94 in Raum M 110 (1)
Der letzte Tagesordnungspunkt dieser Wochenendveranstaltung zum fünfjährigen
ZeM-Jubiläum war die Synthesizer- bzw. Instrumenten-Ausstellung. Plötzlich
nahm die Teilnehmerzahl noch einmal zu, denn ca. 10 Techno-Jünger
- wie ich nach ihrer Kleidung und ihrem Interesse vermute - betraten den
Saal. Da Instrumente aus allen Epochen der modernen Elektronik (seit ca.
1960) vertreten waren, möchte ich nicht nur eine bloße Auflistung
der Geräte betreiben, sondern eine wertende, ungefähre Einordnung
in vier Epochen vornehmen (I - IV). Ich habe dabei um Trennung von Fakten
und meiner - vielleicht extremen - Privatmeinung (kursiv) versucht. Zum
Schluß und zum Jahreswechsel habe ich mir einige Gedanken über
die zukünftige Entwicklung der elektronischen Musikinstrumente gemacht
(V).
I. Am Anfang war ... das analoge Modularsystem (1950 ? - ca. 1985)
Ausgestellt waren:
-
Roland-System 100M (1979, "großes" Modulsystem)
-
Elektor Formant Synthesizer (ca. 1979, Selbstbau)
-
EMS Logic (Minimalsystem in Hardshell-Koffer)
-
Roland SH-09 (1978, als Beispiel für Festverschaltung)
Schon in den dreißiger Jahren ging man dazu über, bestimmte
technische Funktionen in den Labors in dezidierte Einheiten (Moduln) zu
verpacken und nicht mehr als freie Verdrahtung auf einem Holzbrett aufzubauen.
Es gab sogar schon die beliebten 19" Schränke mit Oszillatoren, Filtern,
Ringmodulatoren, Verstärkern usw. Diese wurden durch Kabel nach Wunsch
miteinander verbunden.
Modulsythesizer für den Audio-Bereich gab es schon 1950 bei den
Universitäten und Radiosendern, nicht immer für musikalische
Zwecke, sondern auch zur Meßtechnik. Der Benutzer konnte durch die
freie Wahl der Anzahl und der Art der Moduln einen maßgeschneiderten
Aufbau erstellen lassen. Die billiger werdende Transistor-Technik wirkte
sich segensreich aus, indem die Geräte preiswerter, zuverlässiger
und sogar transportabel wurden. Aber die Handhabung der Geräte war
äußerst schwerfällig. Zu einer musikalischen Aufführung
oder Aufzeichnung hätte man viele Hilfskräfte zum Einstellen
der Regler benötigt.
Entscheidend wichtig war daher die Idee der universellen Spannungssteuerung,
die in den sechziger Jahren ausgeführt wurde. Sie eröffnete den
Weg von vereinzelten Basteleien zur universalen Musikmaschine und ist der
erste entscheidende Meilenstein in der Geschichte der elektronischen Musikinstrumente.
Jedes Modul konnte dadurch mit allen anderen Informationen austauschen,
indem einfach eine entsprechende Spannung mittels Kabel oder Kreuzschienenfeld
die Ansteuerung übernahm. Die maximale Spannungsauslenkung war festgelegt
(meist + - 10V) und im Idealfall war jeder Parameter (wie Frequenz, Amplitude
etc.) spannungssteuerbar und das in - zumindest theoretisch - beliebig
feiner Auflösung!
Es gab prinzipiell keinen Unterschied zwischen Spannungen mit Audio-Frequenz
(bis 20000 Hz) und Sub-Audio-Steuerspannungen (unter 20 Hz). Instrumente
verschiedener Hersteller konnten einfach kombiniert werden und sich gegenseitig
ergänzen. Ein gutes Modulsystem war nach außen immer offen,
d.h. Mikrofone und Tonbandmaschinen etc. konnten problemlos mit einbezogen
werden.
Der Benutzer konnte durch Stecken von elektrischen Verbindungen direkt
in die Synthese-Architektur eingreifen; prinzipiell waren alle Synthesearten
realisierbar und durch die Spannungssteuerung automatisierbar.
Hier eine kleine Auflistung der Freiheitsgrade, die z. B. das Soundlab-System
der Fa. Dr. Böhm (1983) bot:
-
Tastatur invertiert
-
Verzicht auf Tastatur, die "Tonhöhe" wird z.B. mit X-Y-Steuerknüppel
(dem Modellbau entnommen) geregelt
-
Oszillator mit linearer statt mit exponentieller Frequenzcharakteristik
(sehr merkwürdig!)
-
Beethovens Fünfte durch den Ringmodulator
-
Oszillator mit beliebiger Wellenform (Samples)
Auch die Mehrstimmigkeit war möglich, wenn man nur genug Module und
eine geeignete Ansteuerung hatte; und es gibt heute z. B. vierstimmige
Midi-Interfaces, die den Kontakt zur Midi-Welt herstellen.
Das elektronische spezielle Know-How war anfangs nur in den USA vorhanden,
und durch diesen Vorsprung dominierten die Amerikaner klar bis in die achtziger
Jahre den Markt. Das erste kommerzielle spannungsgesteuerte Instrument
war das Moog Modular System, das bald viele Nachahmer fand. Ende der siebziger
Jahre gab es sogar ein Selbstbausystem der Zeitschrift Elektor (Elektor
Formant), denn die Preise für elektronische Komponenten waren mittlerweile
dermaßen gefallen, daß für die Kosten eines Modulsystemes
nur noch der mechanische Aufbau (Gehäuse) und die Arbeitskosten maßgebend
waren. Das System genügte durchaus professionellen Ansprüchen
und hatte Module, die man in vielen kommerziellen Instrumenten vergeblich
suchte:
LFO, Noise (Random Voltage), ADSR, Dual VCA, VCO (Sägezahn, Dreieck,
Sinus, Puls mit PWM, Sägepuls, gleichzeitig verfügbar), Multimode
VCF (2-Pol, Hochpass, Tiefpass, Bandpass) VCF Tiefpass (4-Pol), Vollparametrischer
Equalizer, Ringmodulator Digitaler Noise Generator, Phase Shifter, Digital-Echo
(keine Hallspirale!), ADSR Controller, Mixer (auch sub Audio), VC-LFO Sample
& Hold, Waveform Processor, Stimmnormal 440 Hz Digitaler 256-Schritte
Sequenzer, Envelope Follower. Jeder Bastler mit etwas Phantasie konnte
neue Module nach eigenem Gusto hinzukreieren!
Die Probleme der analogen Modulsysteme sollen nicht außer Acht
gelassen werden, es gibt unter ihnen arge Rauscher und Brummer. Wer unbedingt
mit festgelegten Frequenzen (Skalen) arbeiten will, kann durch Temperaturdrift
und Offset zur Verzweiflung getrieben werden. Die Wartung der "Dinosaurier"
kann einem Alpträume bereiten, denn sie enthalten extrem viele Einzelbauteile,
so daß die Wahrscheinlichkeit eines Defektes in den nächsten
Jahren gegen 1 tendiert. Durch den Fortschritt der Analogtechnik (z.B.
integrierte, rauscharme, temperaturkompensierte Schaltungen) sind diese
Probleme bei modernen Modulen heute überwunden.
(Ein gutes Beispiel für die Verbesserungen ist das o. g. Soundlab-System
von Dr. Böhm, das leider ein kommerzieller Flop war. Die Gründe
dafür sind in II und III beschrieben.) Technisch war es voll auf der
Höhe der Zeit, und z. B. viel flexibler als ein Moog oder Roland und
diesen auch von der Audio-Qualität her weit überlegen.
Es bleibt aber der Ärger mit der Reproduzierbarkeit. Einmal gefundene
Einstellungen sind nicht einfach wiederauffindbar, schon gar nicht auf
Knopfdruck. Hier heißt es neu stöpseln und schrauben. Eine Live-Aufführung
von EM wird somit sehr aufwendig und risikobehaftet. Schließlich
gibt es für die Analogtechnik unüberwindbare Grenzen.
Beispiel:
Bei der Nachbildung der Frequenzmodulation (natürlich geht auch
das mit einem Modulsystem) wird man feststellen, daß ständige
Schwebungen der freilaufenden "Operatoren" keinen stehenden Klang zulassen,
mag man sie auch noch so genau stimmen.
Leider wurde bei jeder folgenden Generation von modularen Synthesizern
die Vielseitigkeit wohl aus wirtschaftlichen Gründen mehr und mehr
eingeschränkt. Und leider tendierten viele Anwender dazu, eine Standard-Verschaltung
einzusetzen (VCO -> VCF -> VCA). Sie benutzten - weil sehr einfach zu durchschauen
und anfangs spektakulär - nur das Tiefpassfilter zur Klangformung,
bis hin zur festverdrahteten Synthese eines monophonen Minimoog, der nur
noch Teilschaltungen mit dem Modularsystem gemein hatte. Das Roland System
100M bot hierfür z. B. ein eigenes, vorverdrahtetes Modul. So entstand
eine Paradoxie: der "typische" Synthesizersound. Das sollte Folgen haben
(siehe II).
Auch ich habe mich von diesem "Einheits-Sound" täuschen lassen,
und mein Selbstbau-Modulsystem nicht fertiggestellt. Ich bedauere dies
heute sehr, denn das praktische Nichtvorhandensein von analogen Modulsystemen
hinterläßt heute ein gehöriges Loch im Raum aller möglichen
Klänge, das auch nicht mit dem Einsatz von noch so vielen Midi-Expandern
zu stopfen ist. Erfolglos bleibt z. B. der Versuch mit einem modernen digitalen
oder hybriden Gerät, ein weißes Rauschen durch einen Bandpaßfilter
zu schicken, der wiederum in Frequenz und Resonanz von Sinus-Oszillatoren
moduliert wird; erst langsam, dann immer schneller bis weit in den Audiobereich
hinein und das ganze mit Hüllkurvensteuerung automatisiert!
Habe ich jetzt das Interesse des Lesers geweckt und ist das Bankkonto
entsprechend gefüllt, so kommt die Bestellung eines maßgeschneiderten
Modularen Systems bei Donald Buchla (USA) oder EMS (England) in Betracht,
die auch heute noch Einzelexemplare bauen. Sonst bleibt heute nur der Selbstbau,
was auch viele Vorteile bei der Wartung des Instrumentes bietet. Zum Glück
werden die speziellen integrierten Schaltungen immer noch hergestellt.
II. Analoge, mehrstimmige (polyphone) Synthesizer mit festverdrahteter
Klangerzeugung (1976 - 1983)
-
EEH Banana (1983, 6 Stimmen)
-
Oberheim OB-8 mit Sequenzer Oberheim DSX (1983, 8 Stimmen)
-
Roland Jupiter 4 (1978, 4 Stimmen)
-
Teisco (Kawai) SX-400 (1982, 4 Stimmen)
Diese Instrumente kamen allesamt Anfang der achtziger Jahre auf den Markt.
Der Stand der Technik spiegelte sich durch hybriden (gemischt digital-analogen)
Aufbau wieder. Die Mikroprozessortechnik kam zur Tastaturabfrage, zur Soundverwaltung
und später auch für Midi Input-Output zum Einsatz. Alle Parameter
des Instrumentes waren quantisiert, d. h. meist in 1 / 256 Schritten gerastert
(8-Bit). Dies ermöglichte zum ersten Mal das bequeme Abspeichern und
Aufrufen der Soundeinstellungen mit einem digitalen Speicher. Da oft weiterhin
"analoge" Drehknöpfe als Benutzer-Schnittstelle verwendet wurden,
kam der Einzug der Digitaltechnik in die Instrumente dem Benutzer gar nicht
zu Bewußtsein. über einen Digital-Analog-Wandler konnte der
Mikroprozessor analoge Spannungen zur Kontrolle der Synthese ausgeben.
Die eigentliche Klangerzeugung blieb weiterhin streng analog. Allerdings
waren die einzelnen Komponenten, wie Oszillator, Filter, Hüllkurvengenerator
etc. bereits als Integrierte Schaltungen erhältlich. Es war sogar
die komplette Klangerzeugung in ein einziges IC integrierbar. Man ging
hierbei von populären Vorbildern der monophonen Zeit, wie z. B. dem
Minimoog aus. Damit war die Verschaltung der einzelnen Elemente natürlich
festgelegt, und konnte nicht mehr vom Benutzer frei gewählt werden
(VCO -> VCF -> VCA). Zum Teil waren pro Stimme 2 oder sogar 3 Oszillatoren
vorhanden, so daß additiv Obertöne nachbildbar waren, oder durch
Synchronisation oder Modulation originelle Spektren erzeugt werden konnten,
oder einfach reichhaltige Schwebungen entstanden.
Der technische Fortschritt in der Konstruktion brachte einige Vorteile
mit sich. EM wurde in der Erzeugung erschwinglicher und somit auch populärer.
Die Abspeicherbarkeit von Soundeinstellungen kann nicht hoch genug eingeschätzt
werden. Die Mikroprozessorsteuerung machte selbst solche Features wie Autotune
(Selbstabgleich des Systems) möglich. Die Betriebssicherheit und Temperaturstabilität
konnte durch den Einsatz von integrierten Schaltungen extrem verbessert
werden und die Mehrstimmigkeit wurde so erst bezahlbar. Die Industrie hatte
richtig auf die Sorgen und Nöte der meisten Musiker reagiert, dem
breiten Live-Einsatz von Synthesizer-Teppichen und Effekten in der Popmusik
stand nun gar nichts mehr im Wege.
Aber es gab, wie bei jedem technischen Fortschritt, auch Schattenseiten,
besonders für die experimentelle Musik. Bis auf wenige Exoten war
niemand mehr bereit, Modulare Systeme zu unterstützen; die "Dinosaurier"
waren zum Aussterben verurteilt. Die Ausstattung der neuen Geräte
mit Modulationshilfen (LFO, ADSR) war meist dürftig.
Die Anzahl der möglichen Skalen betrug nun genau 1 und die festverdrahtete
Synthese erzeugte immer dieselben Filter-Wahs, die bald abgedroschen klangen.
Die einzelnen musikalischen "Stimmen" waren nicht mehr so liebevoll
ausgeformt, und vom Musiker ausformbar, wie bei Aufnahmen mit meist monophonen
Modulsystemen (Dynamik, Agogik). Bei jedem Tastenanschlag startete die
Hüllkurve erneut von Null aus, was jedem Klang sofort eine klavierähnliche
Textur überstülpte.
Man hatte die universale Kommunikation und Freiheit zugunsten einer
preisgünstigen Polyphonie geopfert. Das merkte auch das Publikum,
das bald negativ auf diesen Einheits-Soundbrei reagierte. Ich denke, daß
diese technische Einengung dem Ruf der EM im Endeffekt sehr geschadet hat.
(Ich erinnere mich noch an die Enttäuschung, als ich mit meinem neuerworbenen
Jupiter 4 klanglich bereits nach zwei Wochen am Ende war.)
Der Höhepunkt in der Entwicklung dieser Systeme war mit der Einführung
des Oberheim-Xpanders (1985) erreicht. Auch hier wurde an der festverdrahteten
Synthese festgehalten, nur die Mikroprozessorsteuerung wurde ausgefuchster
und übernahm nun die gesamte, sehr reichhaltige Klangmodulation (LFO,
ADSR, "Modulationsmatrix").
Das Ergebnis beschrieb der Keyboards-Testbericht damals zutreffend
mit "Des Kaisers neue Kleider".
Das schwerfällige Beharren auf dieser festverdrahteten Subtraktiv-Filter-Synthese
im Zeitalter von PCM-, Sampling und Frequenzmodulation hat den Untergang
der meisten amerikanischen Hersteller beschleunigt, wenn nicht gar verursacht
(Oberheim, Sequential, Moog). Der technologische Vorsprung war endgültig
an die Japaner verloren. Bem.: Einige Soundeinstellungen der polyphonen
Synthesizer klingen nach wie vor wunderbar.
(Fortsetzung ... im nächsten Heft)
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Christoph Müller
Über die ZeM - Jubiläumsveranstaltungen im Oktober
1994
Bevor ich in den Keyboards einen Hinweis auf die 5-Jahres-Jubiläumsveranstaltung
des ZeM Freiburg gelesen habe, hätte ich nicht vermutet, daß
eine derartige Vereinigung überhaupt existiert. Um so mehr war ich
interessiert, was mich erwarten wird und was für Menschen das sind,
die sich für die Verbreitung und Weiterentwicklung der elektronischen
Musik einsetzen.
Das Szenario in der PH Freiburg wirkte wie aus dem Physikunterricht
in der Schule. Im Vordergrund von einigen Geräten und einer "Versuchsanordnung",
die sich beim näheren Hinsehen als ein modularer Synthesizer entpuppte,
referierte Klaus Weinhold über Ziele und Ideen des ZeM, wie es 1989
durch die Initiative einer Handvoll interessierter Menschen zur Gründung
des Vereins kam. Die Ziele des ZeM sind (neben der Verbreitung der elektronischen
Musik) Innovation und die Loslösung von althergebrachten Vorgaben
der klassischen wie auch der populären Musik.
Wie ich am darauffolgenden Wochenende in der Emmendinger Steinhalle
erleben konnte, bezog sich der Anspruch der Innovation nicht nur auf das
Kreieren neuer, ungehörter Sounds, sondern auch auf verschiedene strukturelle
Aspekte hinsichtlich der Kompositionen. So waren die Hauptelemente der
vorgeführten Werke seltener die 12 Töne unserer gewohnten europäischen
Skala, sondern, sofern es sich nicht um rein atonale Klangkollagen handelte,
teilweise recht abstrakt wirkende Überlegungen, die zu überraschenden
Ergebnissen führten.
Joachim Stange-Elbe zum Beispiel hatte als Grundüberlegung die
Abstände der einzelnen Planeten zueinander analog in Form von Dynamikverhältnissen,
Klangfarben- und Rhythmenveränderungen in eine Komposition übertragen.
Walter Birg hingegen berechnete, basierend auf der irrationalen Konstanten
e, eine neue Skala, in der sich seine Komposition dann bewegte.
In beiden Fällen ging es mir allerdings so, daß ich die jeweiligen
Vorüberlegungen ungleich interessanter fand als die Klangvorführungen,
die darauf folgten. Das rührt daher, daß die Musik als sinnliches
Ereignis, der Spaß an den Sounds, in beiden Stücken (ebenso
in einem von Gerda Schneider) für mich zu kurz kam. Es wirkte wie
ein Kunstwerk, das zuvor erst einmal erklärt werden muß, da
es andernfalls eine wesentlich geringere Aussagekraft haben würde.
Anders ging es mir bei den Stücken von Perper Weyren-Meler und Franz Martin
Löhle, speziell bei denen, die auf dem Microwave realisiert wurden.
Sie wirkten, nicht zuletzt auch durch die druckvollen Sounds des Microwave,
direkter auf den "Bauchbereich" und vermochten bei mir spontane Assoziationen
wie bildlich-plastische Vorstellungen der Sequenzen und Sounds hervorrufen.
Auch die Kompositionen von Klaus Weinhold haben mir durchweg recht gut
gefallen, obwohl die Klänge, die er live aus seinem K2000 holte, ziemlich
"böse" klangen. Die vom Tonband vorgespielten Stücke klangen
durch die verwendeten Sounds und die größtenteils selbst erstellten
Samples interessant und ungewohnt. Bis darauf, daß Klaus Weinhold
von manchen Stücken mehrere Versionen vorspielte, die sich nicht besonders
stark voneinander unterschieden, wurden die Kompositionen auch nach mehreren
Minuten
nicht langweilig. Das traf besonders auf eine Reihe bekannter klassischer
Werke zu, die er mit Hilfe des Samplers neu instrumentiert hatte (sehr
originell fand ich die "Vogelstimmen-Sinfonie").
Alles in allem haben die beiden ZeM-Wochenenden meinen Horizont doch
erheblich erweitern können, indem ich erfahren habe, wie viele Herangehensweisen
es bei der Komposition elektronischer Musik gibt. Interessant fand ich
auch, daß die einzelnen ZeM-Mitglieder alle ihren ganz persönlichen
Stil verfolgen, wodurch ein so relativ umfassender Eindruck von der Variabilität
der elektronischen Musik erst möglich war.
↑
Jens Bendig
Homerecording im Offenen Kanal 1995
Liebe ZeM-Mitglieder!
Die Sendung "Homerecording" wird bis Anfang 1995 von Michael Rippel
mit einem etwas anderen musikalischen Schwerpunkt weitergeführt. Der
Sendetermin ist weiterhin der letzte Dienstag im Monat. Ich selbst plane
eine weitere Staffel im Jahr 1995 und möchte Euch alle wieder dazu
auffordern, mir Material zuzuschicken. Aus technischen und organisatorischen
Gründen würde ich mich sehr freuen, wenn ihr gleich mehrere (3
- 6) Beiträge auf einer einzigen Cassette unterbringen könntet.
Die vielen Einzelcassetten machen mir langsam echte Lagerprobleme. Wer
seine alten Bänder zurückmöchte, der sollte mit mir Kontakt
aufnehmen.
Ich beginne im Dezember 1994 mit der Produktion der Staffel, also schickt
mir bitte Eure Beiträge bis zum 1. Dezember 1994 zu. Ich bin sehr
gespannt, wie sich Eure einzelnen Stile weiterentwickelt (oder zurückentwickelt?)
haben und freue mich auf die Cassetten. Bitte wieder ohne Dolby, aber gerne
mit Dbx und High-Speed oder als DAT.
Also, laßt Eure Plastikschachteln fröhlich piepsen oder unheilschwanger vor sich hin wabern. Auch bei der neuen Staffel gilt: Alles erlaubt !
Bis bald
Jens
PS. Bitte signalisiert mir, ob Ihr einverstanden seid, auf einer Adressenliste
zu landen, die an alle aktiven Teilnehmer verteilt wird. So könnt
Ihr untereinander Kontakt aufnehmen.
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Dr. Joachim Stange-Elbe
Elektronische Musikinstrumente.
Ein historischer Rückblick mit zeitgenössischen
Dokumenten.
6.Teil: Saitenspiele (Fortsetzung und Schluß).
Das Hellertion
Als letzter Vertreter und zum Abschluß unseres historischen Rückblicks
der ersten elektrischen Klangerzeuger muß das Hellertion Erwähnung
finden, nicht nur weil es dem Trautonium eng verwandt ist, sondern auch
als einziges der damaligen Instrumente mehrstimmig spielbar war. Die beiden
Erfinder waren der Musiker Bruno Helberger und der Physiker Dr. Peter Lertes,
der lange Zeit Vorsitzender eines Zusammenschlusses technisch interessierter
Radiofreunde war, aus der sich der Südwestdeutsche Rundfunkdienst,
Frankfurt bildete. Sie entwickelten ihr Instrument in den Jahren 1928 -
1930 mit Unterstützung der Schneider-Opel A.G. Frankfurt-West und
benannten es nach den Initialen ihrer Namen. Die Grundidee, ein mehrstimmig
spielbares Instrument zu konstruieren, ließ sie die Art der Klangerzeugung
von Magers "Kaleidosphon" und die Spielweise von Trautweins "Trautonium"
verbinden:
"Helberger, der Musiker und Erfinder, hatte an Lertes, den Konstrukteur,
die Forderung gestellt, eine Apparatur zu schaffen, bei der Tonhöhe
und Lautstärke jedes einzelnen Tones durch nur einen Finger geändert
werden können, so daß es prinzipiell möglich sein muß,
eine zehnstimmige Apparatur zu bauen, die mit allen zehn Fingern gespielt
wird. Da jeder Finger zwei verschiedene Funktionen ausführen muß,
konnte nur die Einordnung der beiden Funktionen in zwei verschiedene Richtungen
in Frage kommen. Man entschied sich, durch eine Bewegung des Fingers in
horizontaler Richtung die Tonhöhe und durch eine solche in vertikaler
Richtung die Lautstärke zu ändern. Das Spielmanual für einen
Ton besteht aus einer Widerstandsschine, auf der man mit dem Finger entlanggleitet,
um die Tonhöhe zu bestimmen, während sich aus dem Druck, den
der Finger in senkrechter Richtung ausübt, die Lautstärke ergibt.
Dieser Widerstand, an dem auf sehr einfache Weise Tonhöhe und Lautstärke
abgegriffen werden, ist der wesentliche Bestandteil des Hellertions" (Ohne
nähere Verfasserangabe (mit Schw. gezeichnet), Das Hellertion, ein
neues elektrisches Musikinstrument in: FUNK-Bastler, 1931, Heft 27, S.
425.).
Diese Spieleinrichtung, von den beiden Konstrukteuren als "Bandmanual"
bezeichnet, gab Anlaß zu patentrechtlichen Auseinandersetzungen mit
Trautwein. Dieser hatte sich seine Erfindung des "Saitenspieles", zum großen
ärger von Oskar Sala, nicht präzise genug schützen lassen.
Zur Tonhöhenorientierung war das Bandmanual des Hellertions mit einem
schwarz-weißen Papierstreifen unterlegt; im Gegensatz zum Trautonium,
war es beim Hellertion allerdings möglich, durch übereinanderlagerung
der einzelnen Manuale mehrstimmig zu spielen, jeder einzelne Ton konnte
getrennt in der Lautstärke und Schwebung beeinflußt werden.
Im Jahre 1933 veröffentlichte auch Peter Lertes seine "Elektrische
Musik"; er verfolgte damit jedoch eine andere Absicht als Trautwein: Lertes
kam es auf "eine gemeinverständliche Darstellung ihrer Grundlagen,
des heutigen Standes der Technik und ihrer Zukunftsmöglichkeiten"
an. Er legte großen Wert auf die Darstellung physikalischer und elektrotechnischer
Zusammenhänge und die Historie der bisher entstandenen Klangerzeuger,
wobei er sich ganz besonders auf die in- und ausländischen Patentschriften
stützte. Auch über die klangliche Eigenschaft des Hellertions
erfährt man in Lertes' Buch Näheres: "Die Klangfarbe des Instrumentes
wird einerseits durch Zu- und Abschalten von Sieb- und Sperrketten, und
neuerdings auch durch Formantkreise, wie sie insbesondere bei dem^Ê
Trautonium Verwendung finden, und andererseits durch die Dynamik des Spiels
geändert^Ê . Die Einstellung der einzelnen Instrumentalstimmen
auf die verschiedenen Klangfarben erfolgt durch Druckknöpfe, die ...
vor dem vorderen Manual erkenntlich sind. Dabei besteht natürlich
auch die Möglichkeit, die einzelnen Stimmen auf voneinander verschiedene
Klangfarben einzustellen ... Sehr wesentlich ist jedoch die Klangfarbenänderung
durch die Dynamik des Spiels, ein ... Beweis dafür, daß mit
dem Spielmanual.. die Möglichkeit geboten ist, den elektrischen Tonansatz
und damit die Einschwingvorgänge weitgehendst zu beeinflussen" (Peter
Lertes, Elektrische Musik, S. 177f.). Eine nähere Charakterisierung
der verschiedenen Klangeigenschaften unternimmt Lertes nicht, er erwähnt
nur beiläufig die Möglichkeit, durch unharmonisch mehrstimmiges
Spiel "Geräusche naturgetreu nachzuahmen oder neue Geräuscheffekte
zu erzielen" (Ebenda, S. 178.), wodurch eine Verwendung des Hellertions
zur Begleitung oder Untermalung von Filmen sich sehr gut eignen würde.
über eine Verwendung in eigens dafür geschriebenen Kompositionen
ist nichts bekannt, und den Zweiten Weltkrieg hat keine Konstruktion überdauert.
Bei allen bisher vorgestellten Konstrukteuren wurde ersichtlich, daß
sie die Schaffung einer neuen Klangwelt anstrebten und nicht die traditionellen
Instrumente nachzuahmen trachteten. Die Durchsetzung dieser neuen Klangmöglichkeiten
war jedoch sehr schwierig, da es an geeigneten Kompositionen für diese
Instrumente fehlte. Die meisten Erbauer und Spieler wichen daher in die
Bereiche der illustrativen Filmmusik und der Hörspielgestaltung aus,
bei der sie ihre neuen Instrumente in freier Form klanglich und musikalisch
erproben konnten. Wurden die elektrischen Instrumente dennoch von einigen
Komponisten mit Werken bedacht, so ging ihr Einsatz über ein bislang
schon gekanntes konventionelles Maß nicht hinaus. Die neuen Instrumente
wurden wie die alten behandelt, von neuen kreativen Ansätzen war wenig
zu spüren. So huldigen auch die Trautonium-Konzerte von Hindemith
und Genzmer diesen Prinzipien. Einzig die scheinbar "formlose" Film- und
Hörspielbegleitmusik bot hier reichere Entfaltungsmöglichkeiten,
die Oskar Sala auch heute noch mit seinem Mixturtrautonium ausnutzt. Durch
diese Gegebenheiten blieben die elektrischen Instrumente weitgehend dem
Medium treu, dem sie technisch und künstlerisch entsprangen. Eingebunden
in eine Musik, die für die Medien Film und Hörfunk gedacht und
geschrieben ist, konnte sich die elektrische Musik in "ihrem Bereich" voll
entfalten. In der traditionellen Musik haben sich diese Klangerzeuger auf
dem Konzertpodium nicht durchsetzen können.
(Hiermit ist die Serie "Elektrische Musikinstrumente. Ein historischer
Rückblick mit zeitgenössischen Dokumenten" beendet. Für
ein Feedback, weitere Informationen und Materialien steht der Autor gerne
zur Verfügung. Er ist erreichbar unter der e-mail
joachim at stange-elbe punkt de
1. Teil: Die Prophezeiung eines
"Technikers" - ZeM
Nr. 4 (I/1991)
2. Teil: Das elektrisch manipulierte
Klavier - ZeM
Nr. 6 (1/1992)
3. Teil: Der elektrisch erzeugte
Klang - ZeM
Nr. 10 (März 1993)
4. Teil: Musik aus Luft - ZeM
Nr. 11 (Juni 1993)
5. Teil: Sphärenklänge
- ZeM Nr. 14
(April 1994)
6. Teil: Saitenspiele (1)
- ZeM Nr. 15
(September 1994)
6. Teil: Saitenspiele (2)
- ZeM Nr. 16
(Januar 1995)
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Dr. Joseph Mundigl
Über die Archivierung von Audio - Magnetbändern
Die Archivierung von Audio-Magnetbändern ruft nach einigen Jahren
unter Umständen ganz spezifische Probleme hervor, deren Lösung
nicht einfach ist. Eine entscheidende Rolle spielen dabei die Lagerung
und die Raumbedingungen selbst. Nach einem tropisch feuchten Sommer mit
monatelangen Hochtemperaturabschnitten sowie Windstille und damit gefährlich
erhöhter Luftfeuchtigkeit wird das Abspielen vieler Magnettonträger
eine Katastrophe, die für die meisten der betroffenen Bänder
bei unsachgemäßer Behandlung das Aus bedeutet.
Beim Abspielversuch bilden sich dicke Schmierstellen an Tonköpfen
und Bandführungen, die auch bei Maschinen mit kräftigen Wickelmotoren
nach kurzer Zeit zum Bandstillstand führen, der Abspielversuch wird
von diesen Schmierstellen, die sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzen,
durch deren Bremswirkung vereitelt. Erfahrungswerte zeigen sogar einen
zunächst widersprüchlichen Zusammenhang, nämlich, je kräftiger
die Zugkräfte der Wickelmotoren, umso stärker wird das Magnetband
an die Bandführungsteile gepreßt und umso eher kommt es durch
Abrieb zum Stillstand.
Nicht alle Bänder sind davon betroffen. Bei BASF z. B. gibt es
nach Jahren nur einen tolerierbaren Bandabrieb. Andere Bandsorten - wie
auch Revox 631 - verhalten sich regelrecht bösartig. Sehr oft gereicht
das Beharren der Hersteller auf "alten" Rezepturen für die Zusammensetzung
von Magnetbändern hier zum Vorteil.
Grund für starke Schmierstellen ist die teilweise Auflösung
der Leimschicht, die die Magnetschicht mit dem Träger verbinden soll.
Der Aufgabenbereich für beide ist kompliziert, es wirken Magnetpartikel,
Bindemittel, Gleitmittel, Fungizide, Zusätze zur Sicherung der Leitfähigkeit,
Stabilisatoren usw. zusammen. Manche Hersteller verwendeten zeitweise einen
Kleber, der sich im Laufe der Zeit chemisch verändert. Alte Bandchargen
sind vom Verfall weit weniger betroffen als Material besonders um und nach
1980. "Im Magnetband wird ein vernetzter Polyester-Polyurethan-Binder benutzt.
Ein Polyester ist eine Kette von Ester-Verbindungen. Ester bildet sich
aus chemischen Reaktionen zwischen Säuren und Alkoholen. Eine solche
Reaktion setzt als Nebenprodukt Wasser frei ... Glücklicherweise ist
Hydrolyse reversibel und tritt nicht notwendigerweise bei angemessenen
Lagerbedingungen auf." (zitiert nach einem Brief von F. Engel / BASF an
den Verfasser, aus: Walter E. Davies, Preserving Magnetic Tapes, Broadcast
Engineering, October 1987).(1)
Besonders wichtig erscheint zunächst, daß der Vorgang der
Wasserbildung - die Hydrolyse - reversibel ist, was besagt, daß sich
diese auftretende Feuchtigkeit zurückbilden kann. Darauf hinzuarbeiten
ist oberste Notwendigkeit, wenn der Zustand akut geworden ist, die Tonkopfverschmutzung
und die Abriebe an bandführenden Teilen abnorm zunehmen.
Die Lagerbedingungen:
1. Band auf dem rechten Wickelteller belassen ("tail out" lagern),
um Vor
echos zu vermeiden. Haben sich Vorechos bereits massiv eingeschlichen,
muß ein sogenannter "Echo Razor"(2) eingesetzt werden. Der aber kann
nur funktionieren, wenn das zu behandelnde Band an der Oberfläche
intakt ist.
2. Das Band mindestens im Jahr einmal umspulen, damit angesammelte
Feuchtigkeit und Alkoholanteile entweichen können, sowie der Kopiereffekt
durch mechanische Belastung unterbrochen wird.
3. Die Raumtemperatur sollte 23 Grad Celsius niemals überschreiten,
da der Kopiereffekt ab da mit zunehmender Raumtemperatur ansteigt. Ideal
wären konstant 2O Grad Celsius. Aber: Die idealen Lagerbedingungen
werden oft nicht einmal in Rundfunkanstalten eingehalten.
4. 50% Luftfeuchtigkeit gelten für die Bandlagerung als ordentlicher
Wert, besser bleibt man darunter (Klimaanlage!, in seltenen Glücksfällen
genügt ein geeigneter Keller). Zur Diskussion stellen möchte
ich noch die Lagerung in einem Kühlschrank mit sehr geringer Kühlleistung,
wobei in diese Überlegung einbezogen werden muß, daß das
Aggregat in gekapseltem Zustand keine Induktionsströme oder elektrische
Felder abgeben soll. Ist die Kühltemperatur zu niedrig, z. B. 5 Grad
Celsius, kristallisiert das Gleitmittel und tritt als weißliche Schicht
aus. Dadurch entstehen Kopfzusetzer und plattenförmige Abriebe an
Bandführungsteilen.
Es ist allemal eine gründliche Überlegung wert, ob von diesen
Prozessen des Zerfalls nicht jegliche Magnetschicht, die mit Hilfe eines
"Klebers" der oben beschriebenen Sorte auf einen Träger montiert wurde,
betroffen ist. "Disketten, DAT-Bänder, S-VHS-Bänder haben jeweils
verschiedene Rezepturen, in denen sich natürlich immer wieder gleiche
oder ähnliche Komponenten wiederfinden." (Friedrich Engel, BASF, Fax
an den Verf. vom 7. 10. 1994)
Dann sind nämlich auch digitale Systeme gefährdet, bis hin
zur simplen Diskette, wobei diese noch am wenigsten Schaden nehmen dürfte,
da ja hier keine Schichten dicht aufeinander gewickelt sind. Die Diskette
ist aber ebenso einer unmittelbaren mechanischen Belastung seitens des
Abtastvorgangs ausgesetzt, nicht hingegen die Festplatte. Auch der Lesekopf
einer Floppy kann zuschmieren. Den Absonderungen an der Oberfläche
der Magnetschicht - wenigstens der Hydrolyse - versuchen die Hersteller
beizukommen (so Engel / BASF), können sich jedoch nur auf die Wahrscheinlichkeit
von Tests verlassen. Praxiserfahrungen wird die Zukunft bringen.
Der Kopiereffekt ist bei dicht übereinander gewickelten Magnettonträgern
eine generell entstehende Störung der Aufzeichnung. Seine Größe
hängt ab von der Dicke des Bandes, besonders des Trägermaterials,
der Beschaffenheit der Rückseite und der Frequenz, sowie der Amplitude
der Aufzeichnung. Bis zu einem gewissen Grad ist folglich die Kopierdämpfung
von der Konstruktion, dem Aufbau des Bandes abhängig, auch natürlich
von der aufgezeichneten Wellenlänge.(3)
Der Kopiereffekt scheint sich bei gewickelten Tonträgern generell
nicht in vernachlässigbaren Dimensionen zu bewegen. Liest man beispielsweise
die Betriebsanleitung zum ADAT-Digital-Recorder, so steht im Kapitel 9.3
"Cassettenpflege", daß diese im Jahr einmal vollständig umzuspulen
sei, "So vermeiden Sie Vorecho-Effekte ...". Übersprechen zwischen
den Schichten vollzieht sich demnach auch bei Digitalbändern. Die
Frage ist, inwieweit es wirksam werden kann. Oder man hat bei Alesis-ADAT
diesen Passus unreflektiert aus der Anleitung für eine Analog-Mehrspur-Maschine
übernommen, denn technisch gesehen schreibt eine DAT-Maschine die
Digitalwerte natürlich in digitaler Form auf, und diese besteht in
positiver und negativer Sättigung des Aufzeichnungsbandes. Entscheidend
aber sind die unvergleichlich kürzeren Wellenlängen, die mit
dem Audiobereich auch ganz entfernt überhaupt nichts zu tun haben
können, also ist hier ein potentieller Sicherheitsfaktor gegen Übersprechen
bei allen digitalen Aufzeichnungsformen von Audiosignalen vorhanden, denn
ein durch Übersprechen kopiertes Signal kann niemals die Amplitude
bzw. den Sättigungswert eines direkt aufgeschriebenen Digitalsignals
erreichen.
Durch die mechanischen Unsicherheitsfaktoren der Bandoberfläche
ist also - die Langzeitstabilität betreffend - offenbar von der digitalen
Aufzeichnung ebensowenig absolute Beständigkeit zu erwarten, wie von
der analogen. Und bedenkt man, daß - wie noch zu zeigen ist - ein
Spulenband eher in einen lauffähigen Zustand zu bringen ist, als eine
Cassette, weil unmittelbar am Band manipuliert werden kann, dann bleibt
nur die Diskussion um "digital" oder "analog" als Entscheidungskriterium
für die Aufzeichnungsmethode und, was die Tonqualität betrifft,
darf man die Überlegungen der Herren Neve, Schiefele, van den Hul,
Klimo und vielen, vielen anderen, die vehement mit tragfähigen Argumenten
das analoge Klangbild verteidigen, nicht ausgrenzen! Für die Massenproduktion
reicht noch allemal die 16-bit-Technologie.
Was nun aber, wenn das Dilemma eingetreten ist, wenn die Bänder
hochwertige Aufnahmen nicht mehr hergeben wollen. Meine Erfahrung nach
diesem Sommer hat gezeigt, daß dem Abrieb, sowohl dem braunen (Magnetschicht),
wie dem weißen (Leimschicht), die oft genug nicht zwangsläufig
zusammen auftreten, schon beizukommen ist. Da der meiste Abrieb sich an
starren Bauteilen , z. B. dem rechten Umlenkteil einer Revox-Maschine sammelt,
kann man diese gegen eine bewegliche, kugelgelagerte Rolle austauschen.
(Kostenpunkt im Selbstservice etwa 3O,- DM, zugehörige Beilagscheiben
gleich mitbestellen). Machtlos ist man dagegen, wenn die Antriebswelle
sehr stark aufgerauht ist (Revox machte das gewisse Zeit. Das war wohl
des Guten zuviel, um eine einwandfreie Traktion des Bandes zu sichern),
dann wird die Magnetschicht regelrecht beackert, zerrieben, und geht unweigerlich
ab.
Aufgerüttelt durch mehrfache Meldungen und konkrete Hilferufe aus
dem Freundeskreis, habe ich meine eigenen Bänder inspiziert und das
Phänomen eben an einem Revox 631 entdeckt. Da dieses Band dem Geruch
nach von Scotch stammen könnte (das Revox 641 ist identisch mit dem
Ampex 457, so die Auskunft von Tonstudiobedarf Bluthard, Stuttgart)(4),
lassen sich berechtigte Schlüsse auf die Zustände bei einigen
Professional-Bändern ziehen. Beim Umspulen habe ich alle meine Bänder
durch ein neutrales, trockenes Tempo-Taschentuch laufen lassen, das ich
zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand hielt, um den Druck auf
das Band regeln zu können. Davon ist mehr zu halten als von einem
mit Vlies (Viledon DT 1452 weiß, zitiert nach BASF)(2) überzogenen
Löschkopf, da die Abriebe auf der Vorder- und Rückseite des Bandes
gleichermaßen auftreten können. Besonders rückseitenmattierte
Bänder machen Schwierigkeiten. Das Tuch kann rasch gegen ein sauberes
gewechselt werden, obwohl der Reinigungsvorgang so wenig wie möglich
unterbrochen werden sollte, da der angesammelte Klebstoff bei einem Bandstop
am Band festhält und man dann zusehen muß, wie er von dort wieder
wegzubekommen ist. (Hilfreich ist dabei die Kunststoffnagelfeile "Niegelob
/ Solingen" mit einem löffelförmigen Ende). Erfolge kann es bei
sehr stark schmutzenden Bändern, die ansonsten unbrauchbar wären,
geben, wenn man diese mehrfach unter Umgehung der Bandführungsteile
- nur direkt von Wickel zu Wickel - mit größter Vorsicht umspult,
dabei mit Tempotuch reinigt und nach einer Pause von mehreren Tagen das
Band über Bandführungen normal, "tail out" aufwickelt. Bei der
überwiegenden Zahl der Bänder stellte ich fest, daß der
Abrieb an den Bandkanten am stärksten war, in der Bandmitte sich oft
gar keiner fand.
Daraus läßt sich folgern, daß der Abrieb wesentlich
durch die von außen ans Band gelangende Luftfeuchtigkeit verursacht
wird. Die externen Einflußfaktoren spielen eine wichtige Rolle. Zu
hinterfragen ist auch, ob es Sinn macht, ein Magnetband in der immer mitgegebenen
Kunststoffhülle aufzubewahren, weil das Band möglicherweise am
eigenen Hydrolysevorgang zugrunde geht und diese Verpackung gegen tropische
Langzeit-Lagerbedingungen machtlos ist, eher wäre der Einsatz hygroskopischen
Materials zu überlegen.
Den Reinigungsvorgang kann man durchaus zeitlich etwas vorziehen. Die
Überspielung der Bänder verlege man am besten in einen sehr trockenen
Wintermonat. Die freigesetzte Feuchtigkeit hat bis dahin Zeit, sich zurückzuziehen
(einen beheizten Raum vorausgesetzt). Die Restmenge wird schließlich
während des Umspulens abgegeben.
Stellt sich heraus, daß der Abrieb durch das Tempotaschentuch
erheblich reduziert werden kann, soll schließlich der ganz normale
Abspielvorgang dafür sorgen, daß die Bandwickel so glatt wie
möglich ausfallen. Beim schnellen Umspulen entstehen sogenannte überschießende
Wickelteile, wobei sich einzelne Lagen aus dem Wickel herausheben. Vor
allem, wenn die Achsen der Wickelteller und der Dreizack nicht geometrisch
gerade sind. Für kurzzeitige Lagerung kann das bleiben. über
längere Zeit so belassen, neigt das Band zu Verformungen an den Bandkanten,
die schließlich beim Abspielen für Unregelmäßigkeiten
sorgen, die hörbar sein können.
Die Feuchtigkeit kann man radikaler durch Aufheizen in einem Ofen, auch
Mikrowelle, loswerden. Der Vorgang ist jedoch meiner Meinung nach dermaßen
riskant, daß ich unbedingt die Lektüre der unten angegeben BASF-Schrift
empfehle, da ich die Haftung für mißratene Versuche gewiß
nicht übernehmen werde.
Literatur und Quellen:
(1) Walter E. Davies, Preserving Magnetic Tape, in: Broadcast Engineering,
October 1987
(2) Nachbehandlung von Audio-Archivbändern, V/MT, A. Vögeding,
11. 04. 1994, BASF PROFESSIONAL AUDIO VIDEO
(3) Johannes Webers, Tonstudiotechnik - Schallaufnahme und - Wiedergabe
bei Rundfunk, Fernsehen, Film und Schallplatte, Franzis / München,
1968, hier: Zustand des Tonträgers nach der Aufzeichnung, S. 287 ff.
(4) Tonstudiobedarf Heinz Bluthard, 70173 Stuttgart 1, Neue Brücke
6, Tel 07 11 / 29 76 90, Fax 07 11 / 2 26 83 07
↑
Wir Elektroniker, ich als Musiker, die zumindest den Versuch machen,
Elektronische Musik zu produzieren, suchen nicht nur in uns nach Rechtfertigungen
für unser Tun, wir suchen in außer uns liegenden, vielleicht
geschichtlichen Autoritäten, in der theoretischen Literatur etwas
zu unserer Unterstützung und Legitimierung zu finden.
Im neuen Keyboardheft (Februar 95) schreibt einer der Redakteure einen
hinweisenden Bericht über einen neuen Sampler: "Sampler gehören
zu den kreativsten Werkzeugen, die die Musikinstrumentenindustrie derzeit
zu bieten hat. Dieses Genre stellt nämlich nicht nur dem gelernten
Musiker und Produzenten ein vorzügliches Arbeitsmittel zu Verfügung.
Vielmehr bietet der Sampler wie kaum ein anderes Instrument denjenigen,
die nicht in den Genuß einer musikalischen Grundausbildung gekommen
sind bzw. die Chance hatten, ein Instrument von der Pike auf zu erlernen,
die Möglichkeit, einen Weg zur selbstgemachten Musik zu finden."
Dies ein ganz neues Zitat zur Elektronischen Musik, besser wohl zur
Computermusik, denn der Untertitel der Zeitschrift beruft sich auf den
Computer.
Von Musik ist hier die Rede, die Definitionen über das, was Musik
ist oder zu sein hat, sind in der Literatur Legion. Greifen wir zwei willkürlich
heraus: In MGG findet sich erstens folgender Abschnitt: "Die Musik ist
eine Kunst-Disziplin, deren Material aus Tönen besteht. Von dem in
der Natur vorkommenden Tonmaterial gelangt in der Musik nur ein verhältnismäßig
geringer Teil zu Verwendung. Die aus der unendlichen Zahl von Naturtönen
ausgewählte, endliche Zahl von musikalischen Tönen wird durch
bestimmte Rationalisierungsprozesse zu bestimmten Tonsystemen zusammengeschlossen.
Jedoch erschöpft sich das Wesen der Musik keineswegs allein in den
Tönen. Sie ist vielmehr im Grunde und Kern ihres Wesens ein geistiges
Prinzip, eine Idee, die in Tönen Gestalt gewinnt. Insofern aber die
Musik ihre tiefste und letzte Verankerung im Bereich des Geistigen hat,
ist ihre Geschichte Geistesgeschichte."
Für die Musik des 20. Jahrhunderts findet sich zweitens in dem
neuen Katalog der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft eine interessante
Definition für das, was man im weitesten Sinn als Elektronische Musik
bezeichnen kann. Es ist dort von einem Entwicklungsstrang die Rede, der
mit einem Bruch der historischen Entwicklungslinien um 1950 einhergeht
und zu einer völligen Loslösung von allen bisher als verbindlich
anerkannten Parametern der Form und des Inhalts führt.
Ein weiteres hiermit in Zusammenhang stehendes Statement äußert
der ehemalige Freiburger Komponist F. Zipp in einem Buch über das
Wesen der Musik: "Es steht jedoch fest, daß sich in der Elektronik
mit dem Antrieb zur Expansion in Neuland ein ebenso starker Antrieb zum
Ausschließen des bisherigen musikalischen Reichtums und zur Reduktion
auf Stege und Stelzen einer artifiziellen Sonderkunst verbindet. über
die Konsequenzen eines solchen Weges sollte sich niemand Illusionen machen,
denn am Ende steht nichts Geringeres als die radikale und vollständige
Zurücknahme der bisherigen abendländischen Musik. Einen vergleichbaren
Vorgang hat es in der abendländischen Geschichte noch nie gegeben.
Gerade dies aber kennzeichnet den elektronischen Typus am besten: Er nimmt
einen Standpunkt abseits geschichtlichen Fühlens, Denkens und Sichverantwortens
ein."
Überall, auch im eingangs zitierten "Keyboard" ist von Musik die
Rede. Alle europäischen Sprachen bilden dieses Wort in ihre Lautgestalt
um. Es scheint im europäischen Raum nur ein anderes Wort für
Musik zu geben, das gälische, es heißt ceol und bedeutet: ein
Ton, wie ihn die Vögel von sich geben. Die gälische "Musik",
also deren ceol, befand sich nördlich des sogenannten Hadrianwalles,
eines Schutzwalles gegen die Kulturlosigkeit und damit auch gegen den Gesang
der Vögel, den aber der bedeutende französische Komponist Olivier
Messiaen in die traditionelle Musikkomposition eingeführt hat. Von
ceol zum Sampler. Messiaen hatte große Mühe, die Vogelgesänge
auf klassischen Instrumenten darzustellen, es ist viel guter Wille erforderlich,
um die Vogelklänge etwa auf einer Orgel wiederzuerkennen. Mit dem
Sampler hingegen - kein Problem. Die ersten Versuche, etwas zu samplen,
gehen gerne in Richtung von Aufnehmen von Vogelgesängen und deren
Verwandlung in alle möglichen anderen Klangereignisse. Damit kommt
man zu einer "selbstgemachten" Musik, die keine musikalische Grundausbildung
erfordert, sondern nur auf einer, hoffentlich vorhandenen, musikalischen
Vorstellungskraft beruht.
Die Musikdefinition von MGG wird sich dann allerdings verändern,
vielleicht in ihre Inversion verwandeln, und so sei der Versuch gemacht,
die MGG-Definition ein wenig zu verändern: "Die Elektronische Musik
ist keine klassische Kunstdisziplin, deren Material nur aus Tönen
besteht. Von dem in der Natur vorkommenden Klangmaterial gelangt in der
Elektronischen Musik ein sehr großer Teil zur Verwendung. Die aus
der unendlichen Zahl von Naturtönen ausgewählte endliche Zahl
von musikalischen Tönen in der klassischen traditionellen Musik wird
durch bestimmte technische Mutationsprozesse zu unbestimmten Klangsystemen
auseinandergelegt. Jedoch erschöpft sich das Wesen der Elektronischen
Musik keineswegs allein in den Klängen. Sie ist vielmehr im Grund
und Kern ihres Wesens ein materielles Prinzip, ein energetischer Prozeß,
der in Soundprozeduren sich installiert. Insofern aber die Elektronische
Musik ihre tiefste und letzte Verankerung im Bereich des Materiellen hat,
ist ihre geschichtslose Betrachtung Naturerkenntnis."
Obwohl Autoren wie der oben genannte F. Zipp und die oben angeführte
Katalogäußerung sicherlich noch nicht die aktuelle Elektronische
Musik neuer Geräte kannten, wurde doch hier deutlich die Veränderung,
Loslösung und Metamorphose des traditionellen Musiksystems erkannt.
Der Autor Zipp zieht im weiteren Verlauf seiner Ausführungen die Konsequenz,
daß elektronische Musik aufgrund ihrer "Unmenschlichkeit" abzulehnen
sei und der Katalog "Musicus" der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft läßt
diese neue Musik im Angebot nicht vertreten sein. Wir wissen also Bescheid.
Es stellt sich die Frage, wo denn nun heute die hier angesprochene Elektronische
Musik zu finden und zu realisieren sei. In GM, im PC, in der VL-Synthese,
in neuen Digitalpianos oder in neuen Samplern? Wir haben versucht, im letzten
Jahr eine konkrete Antwort zu geben, indem wir Instrumente der ersten Stunde
und deren Hersteller nach Freiburg holten: Herrn Rehberg mit seinen EMS-Geräten.
Sicher spielen hier persönliche Vorlieben eine Rolle, aber wer auf
diese neue Elektronische Musik hingewiesen werden soll, wie sie in den
obigen Zitaten quasi als Menetekel an die Wand gemalt wird, sollte zu diesen
Geräten, zu denen auch das berühmte Roland 100M-System gehört,
zurückkehren. Statt Auswahl, statt Zubereitung, statt geistigem Prinzip
wird hier eine materiale Potentialität von unendlicher Fülle
geboten, deren Eckpunkte die Sinusschwingung und auf der anderen Seite
das Rauschen sind. Die Sinusschwingung, völlig bedeutungslos, keine
Information übertragend, und das Rauschen, in dem alles vorhanden
ist, aber nichtssagend und damit bar jeden geistigen Prinzips.
Wir versuchten, Rechtfertigungsgründe für die Elektronische
Musik zu finden. Ein bedenkenswerter findet sich in Thomas Manns Roman
Doktor Faustus, in dem die musikalischen Gedanken des Helden Adrian Leverkühn
geschildert werden. Man kann vermuten, daß dieser suchende Komponist
heute ein begeisterter Anhänger der aktuellen Computerelektronik wäre.
Eines der Elemente der revolutionären Elektronischen Musik ist, wenn
man schon nicht das Geräusch als Grundlage nimmt, der gleitende Klang.
Nicht zu definieren, nicht zu benennen, zerstört er radikal unser
diskontinuierliches Denken in rationalisierten bestimmten Tonhöhen.
Thomas Mann bemerkt nun in seinem Roman zu dieser Frage folgendes: "Wir
wissen alle, daß es das erste Anliegen der Tonkunst war, den Klang
zu denaturieren, den Gesang der ursprünglich-urmenschlich ein Heulen
über viele Tonstufen hinweg gewesen sein muß, auf einer einzigen
festzuhalten und dem Chaos das Tonsystem abzugewinnen. Gewiß und
selbstverständlich: Eine normierende Maßordnung der Klänge
war Voraussetzung und erste Selbstbekundung dessen, was wir unter Musik
verstehen. In ihr stehengeblieben, sozusagen als ein naturalistischer Atavismus,
als ein Rudiment aus vormusikalischen Tagen ist der Gleitklang, das Glissando,
in dem man immer eine antikulturelle, ja antihumane Dämonie abzuhören
geneigt war." Der Ton als Denaturierungsvorgang.
Die Frage bleibt: Samplen wir das Heulen des Windes und kommen damit
zu einer selbstgemachten Musik oder wählen wird aus der unendlichen
Zahl von Naturheulern eine endliche Zahl von musikalischen Elementen aus,
ob wir sie Töne nennen oder GM, d.h. bestimmte Instrumente nennen.
Das nächste Jahrtausend wird zeigen, wohin der Weg geht.
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Der zweite Vorsitzende des Vereins, Dr. Joachim Stange-Elbe hat im 5. Wettbewerb
für Synthesizer- und Computermusik in Braunschweig mit seinem Stück
HSUD 274 den 2. Preis gewonnen.
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Angeregt durch die Vorführungen in der Steinhalle am 15./16. Oktober
im vergangenen Jahr fand ein Interview von Radio Dreyeckland mit ZeM (Klaus
Weinhold, Dr. Joachim Stange-Elbe, Gerda Schneider statt, das am 26.11.1994
(Wiederholung 28.11.1994) gesendet wurde. In dieser Sendung wurde nicht
nur über ZeM und Elektronische Musik gesprochen, sondern es wurden
auch Produktionen der Betreffenden zu Gehör gebracht. Wer von dieser
Sendung eine Kopie haben möchte, soll sich mit der Redaktion in Verbindung
setzen.
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Rückseite
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