
ZeM Mitteilungsheft Nr. 14 - April 1994
Redaktion:
Editorial
Bis dato wurden die meisten Mitteilungsblätter
bzw. -hefte unter der Redaktion von Corinna Uhl
herausgegeben. Dies sind die Nummern 6 bis 13,
also insgesamt acht Stück. Für diese Ausgabe
(Nummer 14) hat sie die Redaktion des Mitteilungsheftes niedergelegt.
An dieser Stelle sei lhr von beiden ZeMs, Bremen und Freiburg für lhre Arbeit gedankt, durch
die das Mitteilungsblatt zum Mitteilungsheft
wurde und auch regelmäßig erscheinen konnte.
Frau Gerda Schneider hat die Redaktion für diese Ausgabe übernommen. Wir hoffen, daß unser
eingeführtes Blatt auch weiterhin regelmäßig erscheinen wird, und sich Mittglieder finden werden, Artikel zur Elektronischen - und elektroakustischen Musik zu schreiben.
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Klaus Weinhold
Die Zukunft findet statt
Elektroniker, Computermusiker, Audiodesigner, Musiker der aktuellen
Entwicklung, worauf sollen wir uns berufen, wo sollen wir anrufen, um zu
erfahren, ob das, was wir tun, richtig ist? In der Vergangenheit lernte
man von der Vergangenheit, Mozart lernte von Bach, und heute studiert man
in der klassischen Ausbildung klassische Kompositionsprinzipien. Worauf
sollen wir uns aber berufen? Nehmen wir drei Quellen: die Musikmesse Frankfurt
und zwei Zeitschriften, die darüber berichten, Keyboards und Keys,
zwei Zeitschriften, die im Titel ihre Traditionsverbundenheit sprachlich
und visuell zum Ausdruck bringen: key heißt Taste und keyboard heißt
Klaviatur.
Im letzten Heft belehrt uns der Chefredakteur von Keys darüber,
daß die offenbar musikelektronische Zukunft stattfinden wird, dies
sei das knappe Fazit der diesjährigen Frankfurter Musikmesse. Wir
werden darüber belehrt, daß diese Zukunft digital sein wird.
Betrachten wir Aussagen und Statements bekannter und weniger bekannter
Elektroniker zu unserem Gebiet. Es zeichnet sich ab, daß die zunehmende
Digitalisierung der Instrumente zugleich zu einer Gegenbewegung, zur wiederbelebten
Analogisierung führt. Neueste digitale Instrumente wie der Alesis
Quadraverb, dessen Beurteilung durchaus nicht enthusiastisch ist, korrespondieren
mit Wiederbelebungen wie dem OB-Mx. Lassen wir einige Meinungen zu Wort
kommen: Für uns wohl das wichtigste: "erzieherische Maßnahmen",
so schreibt der FM-Protagonist Dave Bristow, daß er es nicht nachvollziehen
kann, daß die meisten Leute von elektronischen Instrumenten erwarten,
daß sie sich wie akustische Instrumente verhalten. Um das Verständnis
für elektronische Eigenheiten zu vertiefen, sind seiner Meinung nach
"erzieherische Maßnahmen" wie Workshops und Seminare nötig.
"Sonst versteht keiner so richtig, was uns die neuen Physical-Modeling-Verfahren
und die FM-Verfahren so alles bringen".
Physical Modeling, wir haben alle viel davon gehört, mein persönlicher
Kommentar deckt sich mit dem des Altelektronikers J. Schmölling. Er
hält nichts davon, wenn ein elektronisches Instrument einfach "klingt
wie", also etwa wie ein Klavier, es muß doch heißen, der Klang
ist so, wie er eben ist. Ihn begeistert das, was er vom Yamaha VL1 gehört
hat, nicht sonderlich. Ihm sind der Jupiter 8 oder das PPG-System lieber.
Der VL ist sicher eine großartige technische Leistung, er führt
aber dahin zurück, wovon wir uns in der Elektronik eigentlich in gewisser
Hinsicht lösen wollten, zum Menschen. Konkret werden hier wieder körperliche
Funktionen eingesetzt, und die Abstraktionen, die "rationes", d.h. die
Verhältnisse, die sich abstrakt in Zahlen oder Reglerstellungen darstellen
lassen, spielen nicht mehr die entscheidende Rolle. Beim VL darf der Mensch
wieder von sich als dem Zentrum in das Instrument hineingehen und das Instrument
prägt als abstrakte technische Größe nicht mehr das Denken
und Handeln des Menschen. Eine fatale Rückwendung im Unterschied zur
Gegenbewegung der prädigitalen Instrumente, die sich wieder an den
Wurzeln wie System 100M oder gar den EMS-Geräten orientieren. Dort
lag das eigentlich evolutionär Neue. Im letzten Jahrzehnt ist dann
eine
kontinuierliche Angleichung an die Unantastbarkeit des Menschen und seiner
handlichen Vorstellungswelt erfolgt.
Im neuen Heft Keyboards werden uns seit Monaten vorausschauende Aussichten
über die Musik 2000 gegeben. Vieles wirkt im negativen Sinn utopisch
und im negativen Sinn unmenschlich, entfernt sich tatsächlich, ja
zu sehr von einer vorhandenen Tradition und Geschichte. Ein letztes Szenario
Nr.7, "Übergänge" betitelt, wirkt wie ein Spiegel von manchen
unserer Aktivitäten und vorausschauenden Darbietungsformen aus der
Zukunft. Der Hauptinhalt des Artikels belehrt uns darüber, daß
der große Übergang sein wird, daß die Geräusche die
Töne erobern. Das Abendland hat den Ton geschaffen, gestaltet und
in ein System gebracht, eine großartige Auswahlleistung, von der
es allerdings kein Zurück in das Allumfassende, und das ist im Hörbereich
das Geräusch, gibt. Die Futuristen und die Musique concrete machten
Versuche einer Musik aus Geräuschen. Heute versucht man auf der einen
Seite alle Störgeräusche zu eliminieren, auf der anderen Seite
- so in dem genannten Artikel - wollen andere noch das abscheulichste Krächzen
im schönsten Digitalsound festhalten. Weiter lesen wir da, daß
sich eine zunehmende Anzahl von Musikern mit Recordern auf Klangsuche macht
und die Ergebnisse am Bildschirm wundersamen Transformationen unterwirft.
Wenn ich es recht sehe: das Gegenteil der VL-Synthese.
Der wichtigste Übergang nach oben genanntem Artikel markiert der
Begriff "Audioart". Wir können stolz sein, denn auch bei uns erstand
er plötzlich aus mancherlei Gründen, der wichtigste war, um einen
umfassenden Begriff zu bekommen, unter dem man nicht nur Musik subsummieren
kann. Das Umgekehrte ist allerdings nicht möglich. Das Spektrum der
Audioart entzieht sich jedem Eingrenzungsversuch, berührt die Felder
Musik und Sprache, Synthese und Sampling, und geht über alles hinaus.
In der Audioart spielen Geräusche - auch mehrere Töne zusammen
können schon ein Geräusch ergeben - eine große Rolle. Jedoch
ist Geräusch nicht Teil eines musikalischen Ablaufs, sondern es steht
für sich allein. Ein weiterer Übergang wäre der von der
Musik zur Klangkunst im Blick auf das Produzieren und Vorführen. Der
erwähnte Artikel definiert das Produzieren von akustischer Kunst auf
Band als Audioart, die Realisierung als öffentliches Ereignis, als
Klangkunst.
Schauen wir retrospektiv auf unsere Arbeit zurück: Was wir in
den letzten Jahren in unserem Bereich geboten haben, war genau das Neue,
der Übergang von der Musik zur Klangkunst, zur Audioart gewesen. Wir
waren also auf dem richtigen Weg und erfahren nun vom Autor des Keyboard-Artikels
eine späte Rechtfertigung.
Das Beruhigende und zugleich Beunruhigende dieses Artikels ist es,
daß wir auch mit unserer Forderung nach "geistiger Grundlegung" richtig
liegen, denn , was soll die neue Technologie, die Digitalisierung, die
Elementarisierung, die Entdeckerfreude, wenn wir uns nicht auf die "finis
und Endursach" der Elektronischen Musik besinnen? Für Bach war es
das Lob Gottes und die Rekreation des Gemütes, für uns sollte
es die Erkenntnis der Natur und die daraus resultierende Befriedigung des
Geistes sein.
↑
Michael Pitz-Grewenig
Das organisierte Chaos
Während jenseits der sogenannten 'Kölschlinie' das organisierte
Chaos in Form von Karnevalsbelustigungen herrscht, geht es im kühlen
Norden gesitteter zu. Als Abschluß einer Vortragsreihe über
verschiedene Aspekte der Chaostheorie, die von der Angestelltenkammer Bremen
veranstaltet wurde, gab es in der Hochschule für Künste eine
lange 'Kunst & Chaos-Nacht'. Im Mittelpunkt standen zwei Realisationen
der Komposition 'to open ears' für Baßklarinette, NeXT-Computer
und vier Tapes von Erwin Koch-Raphael (Uraufführung der Fassung für
Baßklarinette). 'To open ears' ist eine Komposition, deren Reiz aus
der Interaktion der fünf Musiker besteht, die mit vorgegebenen Klangmaterial
miteinander kommunizieren, wobei der Instrumentalist (Ulrich Mückenberger)
gewissermaßen die Lautstärkehüllkurve für den Umgang
mit den Tonbändern (Gerd Anders, Jörn Brinkhus, Christoph Ogiermann
und Georg Sichma) herstellt. Koch-Raphael steht hier in der Tradition von
John Cage: er will Räume öffnen für Phantasie und denkende
Emotionen. Koch-Raphael ist ein Komponist der leisen, lyrischen Zwischentöne.
Die Stille, die er auskomponiert, steht jedoch in eklatantem Widerspruch
zu unserer ständigen Berieselung mit Klängen. Unter diesem Aspekt
sind seine Werke durchaus als Provokation aufzufassen. Oder, um mit Majakowski
zu sprechen, 'Man schindet die Ohren sich blutig an Noten'. Sprach- und
Hörlosigkeit wird wahrnehmbar, und damit auch das, was versäumt
wurde: charakteristischer Mangel an Unvoreingenommheit, Offenheit, Andersartigem
oder Andersdenkendem gegenüber.
Hierzu paßte auch die Uraufführung der Performance über
Koch-Raphaels Komposition No. 47 'Löwen im Garten' für Streichtrio
(Mitglieder der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen) und der Bremer Gruppe
'Lauter Blech'. Dieses Werk, das übrigens als deutscher Beitrag bei
den Weltmusiktagen 1995 zu hören sein wird, lebt von der gegensätzlichen
Klanglichkeit zweier so unterschiedlicher Klangkörper wie Streichertrio
und Blechblasensemble und dem Sachverhalt, daß sie zwar aufeinander
reagieren, aber sich nicht zuhören. Man wird gewissermaßen an
Charles Ives 'Unanswered question' erinnert. Der Sinn des Werkes erschließt
sich einem quasi in den Phasen der Stille; ähnlich wie Christa Wolff
ihre Kassandra sagen läßt: 'Ich lernte, indem ich die Arten
zu schweigen beobachte'.
Das Streichquartett von Klaus Obermaier, das von einem Ensemble der
Deutschen Kammerphilharmonie aufgeführt wurde, mochte sich zwar von
der kompositorischen Faktur in diesen Kontext einpassen (alle vier Stimmen
wurden unabhängig voneinander durch einen Computer komponiert), aber
im klanglichen Erleben dieses Werkes war dieses nicht nachvollziehbar.
Es er-klang ein witziges Werk mit additiver Kompositionstechnik und Anklängen
an die Minimalmusik.
Anton Weberns Streichquartett op. 5, das in diesem Kontext faszinierend
melodisch und harmonisch klang, wurde von einem Ensemble der Deutschen
Kammerphilharmonie exzellent realisiert.
Zum Abschluß dieses Konzertes in der überfüllten Aula
der Hochschule gab dann Pierre Chuchana noch eine Zaubervorstellung, gewissermaßen
um uns Sinnestäuschnungen über das Ohr hinaus bewußt zu
machen. Ach ja, und das Chaos? Es ging an diesem Abend sicher nicht um
den Versuch der Erklärung 'dynamischer, nichtlinearer Systeme', sondern
vielleicht darum, das Chaos im Kopf zuzulassen, wenn man sich Neuem öffnet,
es zuläßt und sich letztendlich nicht erklärbaren denkenden
Emotionen hingibt. Das schmerzt natürlich. Aber das Gegenteil davon
ist 'Muzak', ein multinationaler Musikkonzern, der für alle möglichen
Lebenssituationen Musikkonserven anbietet. Das schmerzt natürlich
nicht, tötet aber ab. Dieser Konzern verfügt über eine eigene
Stromversorgung, die sogar im Falle eines Atomkrieges die musikalische
Botschaft noch ermöglichen soll. Beruhigend! - Oder?
↑
Dr. Joachim Stange-Elbe
Elektronische Musikinstrumente.
Ein historischer Rückblick mit zeitgenössischen
Dokumenten.
5.Teil: Sphärenklänge.
Jörg Magers "Neue Epoche der Musik durch Radio
„... in den Versuchswerkstätten für Telegraph, Telephon und
Kabel erstehen die Maschinen für Zukunftsmusik! ... Aber eine telegraphen-technische
Versuchsanstalt ist doch keine Musikschule...” (Jörg Mager)
Heute kennt Ihn niemand mehr, obwohl er den engen Zusammenhang zwischen
dem Rundfunk und den elektrischen Instrumenten wohl am deutlichsten herausgestellt
hat.
"Jörg Mager war eine tragische Gestalt" (Oskar Sala)
Jörg (Georg Adam) Mager wurde 1880 in Eichstätt geboren.
Über seine Jugend, seine musikalisch-technische Entwicklung und seine
Konstruktionen ist kaum etwas erhalten. Lediglich einige sehr verstreute
Aufsätze geben lückenhaft und oft mit sehr viel Pathos spärliche
Auskunft über ihn. Durch seine nicht sehr begüterte Herkunft
war es unmöglich, das angestrebte Musikstudium aufzunehmen. Mager
entstammte einer dreizehnköpfigen Familie; der Vater war Uhrmacher,
die Mutter stammte angeblich aus einem alten Kantorengeschlecht. Er wurde
Volksschullehrer und Küster, in seine Aufgabenbereiche fielen auch
die Tätigkeit als Kantor und Organist. Die Verstimmung eines Obermanualregisters
seiner Orgel im heißen Sommer 1911 regte Ihn zur Konstruktion elektrischer
Instrumente an; die neu entstandenen Klangmischungen, die ihn die Vierteltöne
erleben ließen, reizten ihn zu weiteren Experimenten.
Der Orgelbauer Steinmayer aus Oettingen lieh ihm einige Orgelpfeifen,
und Mager baute noch im selben Jahr sein erstes "Vierteltonharmonium".
Es bildete den Ausgangspunkt aller seiner weiteren Arbeiten. Mit einer
eigenen Vierteltontheorie trat Mager 1915 an die Öffentlichkeit, diese
Broschüre erschien unter dem genauen Titel "Vierteltonmusik" in Aschaffenburg.
Ein diesbezüglicher Brief an Richard Strauss, wird lakonisch ungefähr
so beantwortet: "Die Frage der Vierteltöne ist sicher interessant
und eingehenden Studiums wert. Ich für meinen Teil werde noch mit
den Halbtönen auskommen". Die Kontaktaufnahme mit anderen Vierteltonmusikern
wie Wischnegradsky und Haba konnte er durch seine begrenzten finanziellen
Mittel zunächst nicht weiter verfolgen. Erst 1924 trat er mit zwei
weiteren Publikationen wieder an die Öffentlichkeit, seiner im Selbstverlag
erschienenen Schrift "Eine neue Epoche der Musik durch Radio" (Berlin Neukölln
1924) und dem Aufsatz "Eine Rundfunkprophezeihung" (in: Der deutsche Rundfunk,
2. Jg., 1924, Heft 49, S. 2952ff.).
Der offizielle deutsche Radiobetrieb war damals gerade ein Jahr alt,
als Mager seine Thesen zur "radiophonen Klangerzeugung" vorstellte: "Als
ich im Jahre 1915 meine Vierteltonbroschüre herausgab, war ich allen
Angriffen zum Trotz ziemlich sicher, daß unsere Musik nicht im Halbtonsystem
verharren würde. Ich ahnte aber auch schon die Schwierigkeiten, die
sich der Herstellung von Instrumenten mit kleineren Intervallen entgegenstellen
würden ... Die Radiofirmen haben sich zwar mit großer Energie
für die Radiomusik-Übertragung eingesetzt, dem weitaus bedeutenderen
Problem der Musik-Erzeugung dagegen fast kein Interesse entgegengebracht".
Mager spricht bei seinen Arbeiten zu Recht von "Radiomusikversuchen". Noch
1924 bezeichnet er es als "Utopie", daß die Zukunftsmusik "zum großen
Teile durch Rundfunkinstrumente ausgeführt werden" wird, jedoch "nicht
mit Rundfunkmusikübertragung, sondern durch die direkte Erzeugung
musikalischer Töne mittels Kathodeninstrumenten!". Unbeirrbar eignete
der Volksschullehrer und Organist elektrotechnische und physikalische Grundlagen
sich selbst an und begann seine Instrumente zu bauen. Mit seinen von einer
ungeheureren Begeisterungswelle getragenen und oft in subjektiv überzogenem
Stil verfaßten Schriften setzte er die Öffentlichkeit von seinen
Ambitionen in Kenntnis, gleichzeitig warb er um Unterstützung: "Leider
bin ich augenblicklich ohne die geringste Möglichkeit, meine Versuche
fortzuführen. Darum möchte ich Interessenten zur Mitarbeit gewinnen.
Wer will mit hinausziehen in dieses unbekannte musikalische Goldneuland!
Und wenn wir vorerst mit unsern Forschungen nur den Alchimisten gleichen
sollten, die der Wissenschaft aber auch beträchtliche Dienste geleistet
haben. Wer also romantisch genug ist für diese Tonalchemie zugunsten
des Anbruchs einer neuen Musikepoche, der sei mir willkommen!".
Von der Radiofirma Lorenz A.G. wurde Mager ein Tonerzeugungsapparat
zur Verfügung gestellt, mit dem er eine 72-Teilung der Oktave erreichte.
Haba und Wischnegradsky waren zwar begeistert, doch Mager blieb der einzige,
der auf elektrischem Wege mit der Mikrointervallik sich weiter auseinandersetzte.
Er erkannte sehr schnell die Problematik, welche die Fülle der zur
Verfügung stehenden Intervalle mit sich brachte: "Was aber mit dieser
Überfülle... beginnen? Erst probierte ich wild darauf los, den
Reiz bisher ungekannter Intervalle und ihren Zusammenklang mit den Ganz-,
Halb- und Vierteltönen meines Viertelton-Harmoniums durchkostend -
eine Art Tonalchimie! Dann suchte ich Melodieeinfälle auf dem 'Elektrophon',
wie ich diese Versuchsapparatur erst benannte, nach ihrem Intervallverhältnisse
festzustellen". Mager wußte genau um diese Spielschwierigkeiten und
ließ sich auch bei der Weiterentwicklung seines "Elektrophons" nicht
nur von den Verfechtern der reinen Stimmung leiten, obwohl die Namensänderung
seines Instrumentes in "Sphärophon" auf einen recht unbekannten Vertreter
der mathematisch reinen Stimmung zurückgeht: Von dem alten Stimmgabelakustiker
Scheibler aus Krefeld, von Beruf eigentlich Tuchmacher, stammte der Vorschlag,
mehrere Orgelregister rein zu stimmen, um mit ihnen den Gesang der Sphären
wiederzugeben. Mager wußte sehr wohl, daß er mit diesen Gedanken
und Plänen auf taube Ohren treffen würde. Ohne Mäzene und
Interessenten an einer derartigen Musik war sein Instrument samt geplanter
Entwicklung reine Utopie. Er zitiert zu seiner Unterstützung aus Schönbergs
"Harmonielehre" nicht nur jenen bekannten Schlußabschnitt, sondern
führt noch eine Stelle aus den Anfangskapiteln an, in der Schönberg
auf den Kompromiß des temperierten Systems eingeht und die Möglichkeit
von neuen, andersartigen mikrointervallischen Tonsystemen in Betracht zieht:
"Jedenfalls erscheinen Versuche, in Viertel- oder Dritteltönen zu
komponieren, wie sie hie und da unternommen werden, mindestens solange
zwecklos, als es zu wenig Instrumente gibt, die sie spielen könnten.
Wahrscheinlich, wenn Ohr und Phantasie dafür reif sein werden, wird
die Reihe und werden die Instrumente mit einem Schlag da sein. Sicher ist,
daß diese Bewegung heute vorhanden ist, sicher, daß sie zu
einem Ziel führen wird" (A. Schönberg, Harmonielehre, Wien 1911,
3. Auflage 1922, S. 26).
Gerade als Mager erste hörbare Erfolge nebst einer Empfehlung von
Alois Haba vorweisen konnte, erlitt er durch die Einführung des Unterhaltungsrundfunks
im Oktober 1923 einen weiteren Rückschlag: "Da setzte das Rundfunkfieber
ein, und für unsere noch so unrentable Sache war nicht einmal mehr
- Abfallmaterial zu erbetteln! Für die künftige Geschichte der
Radiotonerzeugung gewiß eine amüsante Tragikomödie, für
uns aber nur tragisch! ... Handelt es sich denn hier denn nicht doch um
eine weit kunst- und kulturbedeutendere Angelegenheit als bei der bloßen
Musikfernleitung? Gewiß kann die Radioindustrie nur bei einem Massenabsatz
leben; besteht aber nicht die begründete Aussicht, daß die Radiotonerzeugung
ein spezieller neuer Zweig der Radiotonerzeugung werden wird und sicher
nicht der kümmerlichste?" (J. Mager, Eine neue Epoche der Musik durch
Radio, a.a.O., S. 13f.). Mager spricht hier genau den Zwiespalt an, in
dem der Bereich der elektroakustischen Medien auch heute noch sich befindet:
Die ausübenden Künstler traditioneller Musik verwenden sie nur
zum Zweck der Musikverbreitung, und die Hersteller elektronischer Musikinstrumente
sind von einem chronischen Desinteresse an elektronischer Musik befallen.
Letztendlich blieben Magers Schriften doch nicht ungehört. Georg Schünemann
und Leo Kestenberg begannen, ihn in seinen Versuchen zu unterstützen,
jedoch erst ein Aufsatz von Richard H. Stein mit dem Titel "Zukunftsmusik
im Rundfunk" (in: Der deutsche Rundfunk, 3. Jg. 1925, Heft 12, S. 733ff.)
öffnet Mager den Weg zu den "Funkinstanzen", dem "Telelegraphisch-technischen
Reichsamt" und der "Heinrich-Hertz-Gesellschaft". Endlich standen ihm die
besten technischen Geräte zur Verfügung. "... So haben wir nun
ein Melodie- und Akkordsphärophon; freilich primitiv, Rohbau, aber
vielverheißend" (J. Mager, Biographisches zum Sphärophon, a.a.O.,
S. 392.). Bei allen technischen Versuchen und Erfolgen wußte Mager
jedoch genau, daß in dieser Umgebung keine musikalische Erprobung
des Gerätes stattfinden konnte, hier konnte er keinen musikalischen
Umgang und kein Interesse bei den Komponisten wecken: "Soll das Sphärophon
die mit Recht erwarteten großen Hoffnungen erfüllen, so braucht
es jetzt ein eigenes akustisches Laboratorium..." (Ebenda.).
Haba, Wischnegradsky und Georg Rimsky-Korssakoff hatten sich wohl angeboten,
Stücke für das Sphärophon zu schreiben, und auch Hindemith
signalisierte nach der ersten öffentlichen Präsentation des Instruments
auf dem Kammermusikfest in Donaueschingen 1926 einiges Interesse, aber
es blieb bei Lippenbekenntnissen. Die Reaktion auf Magers Vorführung
vor "den versammelten Musikern und Pressevertretern" fiel überhaupt
recht spärlich aus. Als unmittelbare Reaktion erschienen drei Artikel,
alle von ein und demselben Autor: Herbert Weiskopf, "Sphärophon, das
Musikinstrument der Zukunft", in: Der deutsche Rundfunk, 1926, Heft 32,
S. 2203f., (in gekürzter Form in: Der Auftakt, VI. Jg. 1926, Heft
8, S. 177f.) sowie "Das Sphärophon", in: Musikblätter des Anbruch,
Sonderheft "Musik und Maschine" 1926, S. 388ff. Weiskopf hat offenbar das
Instrument gesehen und mit Vierteltonstücken von Rimsky-Korssakoff
und Mager selbst gehört, trotzdem will er wegen Patentrücksichten
nichts Näheres über den Bau und das Prinzip des Instruments berichten.
Er beschreibt nicht, wie es aussieht und aufgrund einer einem Artikel beigegebenen
schlechten Photographie kann man ohne das Wissen um das Aussehen des Apparates
keinen Rückschluß daraus ziehen, ob es sich hier tatsächlich
um die Spieleinrichtung des Sphärophons handelt. Das Instrument soll
alle zu Begeisterung hingerissen haben und wird als Erfolg des Musikfestes
bezeichnet; beschreibend wird jedoch nicht vermittelt, wie das Instrument
geklungen hat. Es wird als primitiv und unfertig (Sparsamkeitsgründe,
die nur zum Bau eines einstimmigen Instrumentes reichten), gleichzeitig
aber auch als höchst empfindlich und "epochemachend" bezeichnet. Widersprüchliche
Attribute, die eher die Möglichkeiten des Instrumentes aufzeigen.
Rückschlüsse lassen allein die Betonung der illustrativen Mittel
des Sphärophons zu, die Weiskopf gleich in die entsprechende Klangsphähre
rückt: "ich denke hier besonders an die künstlerische Kinomusik
und an den Rundfunk, die mit Sphärophonen alle gewünschten Klangeffekte
erreichen können". Obwohl es still wurde um Mager, gelang ihm der
Ausbau des Sphärophons - nun "Sphärophon II" genannt - zur Mehrstimmigkeit.
Durch Theremins Auftreten in Deutschland 1927 rückten auch Magers
Bemühungen wieder in den Vordergrund. Erstmals wird über das
Klangerzeugungsprinzip und die Spielweise des Instruments geschrieben:
"Bedient werden die Instrumente von einem Spieltisch aus. Bei den Typen
I und II befindet sich vor dem Spieler eine halbkreisförmige Platte,
auf der die Töne als Maßeinteilung gegeben sind. Die Einstellung
erfolgt bei Typ I durch zwei Hebel, die von der linken und rechten Hand
abwechselnd bedient werden und an denen sich am Griff ein Kontaktknopf
zum Schließen des Stromkreises befindet. Nach Einstellung des Hebels
drückt die gleiche Hand auf den Kontaktknopf. Während der Ton
klingt, stellt die andere Hand den zweiten Hebel auf den gleichen Tonstrich
ein, damit der erste Hebel frei wird für die weitere Einstellung.
Durch dieses Ablösen kann ein restloses Legato, ein Hinübergleiten
von einem Ton zum anderen erzielt werden. Typ II hat eine gleichartige
Vorrichtung, aber statt der Hebel Kontaktknöpfe und dient dem mehrstimmigen
Spiel" (Arno Huth, Elektrische Tonerzeugung, in: Die Musik XX/1 (Oktober
1927), S. 43.).
Obwohl die Bedienung des Instruments neben musikalischen auch noch technische
Kenntnisse voraussetzte, waren laut Mager zur Erlernung des Sphärophonspieles
sind laut Mager "umständliche jahrzehntelange Tonbildungsexerzitien
nicht nötig". Der Spieler eines solchen Instrumentes, wird mit dem
Begriff des "Musikingenieurs" umschrieben, dieser kann nicht mehr nur wegen
seiner rein manuellen Fähigkeiten den Ruf eines Künstlers genießen,
denn die elektrische Klangerzeugung verlangt vom Musiker mehr als nur bloßes
Tastendrücken oder Bogenstreichen: die Klangauswahl und Klanggestaltung
belassen ihn nicht bei einem reinen Nachschöpfer, sondern lassen ihn
zu einem Mitschöpfer der Musik werden.
Gleichzeitig entwickelte Mager noch einen "Ableger" des Sphärophons,
das "Kaleidosphon". Für dieses Instrument, das zur Mischung von Klangfarben
diente, hatte Mager "eine klavierähnliche Tastatur geschaffen und
kann hiermit nach Art der Orgelregister, den Ton verändern, desgleichen
auch die Tonstärke durch Anschaltung von Lautsprechern in beliebiger
Anzahl und Zusammensetzung. Die Instrumente, zwar heute infolge ihrer Kompliziertheit
noch nicht voll auswertbar, ermöglichen die Herstellung aller Klangfarben,
Intervalle und Tonstärken. Entscheidend für die Bedeutung und
Auswirkung der Erfindung wird es sein, ob Mager endlich den Anschluß
an die Industrie und größere Geldgeber finden wird, die den
Bau elektrischer Klaviere und Orgeln auf der Grundlage des Sphärophons
ermöglichen" (Arno Huth, Elektrische Tonerzeugung, in: Die Musik XX/1
(Oktober 1927), S. 43.). Dieser Anschluß blieb Mager Zeit seines
Lebens verwehrt. Seine technischen Experimente fanden keinen Anklang, und
obwohl sie in seinem Sinne für die Musikerzeugung gedacht waren, hätten
sie auch der reproduktiven Seite der Radiotechnik Nutzen gebracht. Aber
an innovativen Privatkonstrukteuren hatte die Industrie kein Interesse.
Gegenüber dem Thereminschen System (siehe die vorangegangene Folge)
wurde Magers Konstruktion auch aus technischer Seite für eine enorme
Verbesserung gehalten, da das Spielprinzip eine größere Sicherheit
in der Tonbildung gewährleistete. Diese Schwierigkeit des Ätherophons
war beim Sphärophon behoben: "Und das ist es, worin Jörg Mager
sich bedeutungsvoll und sicherlich zu seinem Vorteil von Theremin, von
dem er ganz unabhängig und wohl auch schon vor ihm, den Weg zur 'Ätherwellenmusik'
beschritt, unterscheidet. Die Zufälligkeiten der Handkapazität
werden durch Schaltmaßnahmen, Kurbelspieltisch und Klaviatur ausgeschieden.
Eine ganz genaue Bestimmung der Tonhöhe ist ohne weiteres möglich,
und man ist ohne weiteres fähig, mit untrüglicher Genauigkeit
jedes Intervall einzustellen" (Kurt Joel, Die Musik aus der Luft, a.a.O.,
S. 110.). Anfang der dreißiger Jahre tauchten dann in den einschlägigen
elektrotechnischen Zeitschriften erstmals Schaltbilder über das Spielkurbel-
und Klangerzeugungsprinzip auf. Hier findet auch ein von Mager konstruiertes
mehrmanualiges mit Pedal versehenes und so polyphon spielbares (bis zu
vier Stimmen bei drei Manualen und Pedal) Instrument Erwähnung, das
weitgehend unbeachtet blieb. Es geistert als Klaviatur-Sphärophon
durch die Literatur und zeigt Magers musikalische Herkunft von der Orgel,
die hier bei der Bemühung um ein geeignetes Spielprinzip unverkennbar
Pate gestanden hat. Ob hiermit eine Abkehr Magers von seinem Tonsystemerweiterungsgedanken
verbunden war, läßt sich heute nicht mehr eruieren. Eine Ursache
für seine fast tragisch anmutende Nicht-Anerkennung war sicher seine
doch recht unpopuläre Herleitung und Begründung seiner Fortschrittsforderungen
aus der Vierteltonmusik, einer Musik, die bis heute im Abendland sich noch
nicht durchsetzen konnte: ein untrügliches Zeichen dafür, wie
sehr auch die zeitgenössische Musik in den Prinzipien der (temperierten)
Tonhöhenorganisation verwachsen ist.
Magers Schrift "Eine neue Epoche der Musik durch Radio" stellte zu seiner
Zeit einzigartige Gedankengänge zu dem Problemkreis Elektrizität
und Musik dar. Sie ist der Beitrag eines Instrumentenbauers, der von Seiten
der Musik aus argumentiert, ohne vom Leser ein technisches Wissen um die
neue Klangerzeugung vorauszusetzen. Sie argumentiert auf einer musikgeschichtlichen
Basis, die, obwohl sie Mager auf seine Ziele zugeschnitten hat, in ihrer
Schlüssigkeit überzeugt. Gleichzeitig werden von ihm die neuen
technischen Errungenschaften der Radioübertragung, noch vor der Einführung
des Unterhaltungsrundfunks in Deutschland, für produktive künstlerische
Zwecke in den Dienst gestellt. Seine Schrift verdeutlicht, daß das
Interesse der Radioindustrie nicht so sehr in der neuen Klangerzeugung,
sondern in der massenhaften Klangverbreitung zu sehen ist. Mager stand
im Grunde allein auf weiter Flur, obwohl er mit seinem Sphärophon
auch an die breite Öffentlichkeit trat: Seinen wohl bedeutendsten
Auftritt soll er bei der Realisation der "Parsifal-Gralsglocken" bei den
Bayreuther Festspielen im Jahre 1931 gehabt haben. (Dieser Hinweis findet
sich bei Otto Kappelmayer, Klingende Elektrizität, in: Die Musik XXIV/11,
August 1932, S. 821. Der Autor berichtet in diesen Zusammenhang auch von
Toscaninis und Furtwänglers Begeisterung). Das Interesse der Musiker
wie auch der Komponisten war gering; eine Weiterentwicklung des Instrumentes
hätte dieses sicherlich gefördert. Diese Interessen wurden jedoch
durch die politischen Verhältnisse einerseits und durch Magers Tod
im Jahre 1939 andererseits zunichte gemacht. Gleichzeitig kann heute nicht
mehr nachvollzogen werden, welche Innovationskräfte Magers Instrumente
bei der Entwicklung der elektronischen Musik freigesetzt hätten, wenn
er sie zu seinen Lebzeiten vervollkommnen und zu einer Serienreife hätte
bringen können. Im nachhinein ist dies anhand von Magers praktischen
Ergebnissen auch nicht mehr nachvollziehbar, denn im Gegensatz zum Trautonium,
den Ondes Martenod und dem Theremin-Apparat hat keines seiner Instrumente
den Zweiten Weltkrieg überdauert.
1. Teil: Die Prophezeiung eines
"Technikers" - ZeM
Nr. 4 (I/1991)
2. Teil: Das elektrisch manipulierte
Klavier - ZeM
Nr. 6 (1/1992)
3. Teil: Der elektrisch erzeugte
Klang - ZeM
Nr. 10 (März 1993)
4. Teil: Musik aus Luft - ZeM
Nr. 11 (Juni 1993)
5. Teil: Sphärenklänge
- ZeM Nr. 14
(April 1994)
6. Teil: Saitenspiele (1)
- ZeM Nr. 15
(September 1994)
6. Teil: Saitenspiele (2)
- ZeM Nr. 16
(Januar 1995)
↑
Franz Martin Löhle
Musik(Instrumenten)messe Frankfurt 16.3.-20.3.1994
Trotz des schönen Freiburger Frühlingswetters der letzten
Wochen ist heute einmal eine Pause, es regnet nämlich. Das Tageslicht
ist trübe, und es ist von Nöten die künstliche Beleuchtung
am Arbeitsplatz einzuschalten. Eine gute Kanne voll Tee vor mir und Ruhe
um mich (Musik während des Arbeitens - Pfui Teufel!) sollen mich begleiten
... huch, ich schreibe doch keinen Test für eine Zeitschrift, die
mit "Ke..." beginnt? Im ZeM MT kann man ja von solchen privaten Ausflüchten
absehen und dafür aber polemisch werden.
Trotzdem nochmals privat. Dieses Jahr gönnte ich es mir einmal:
Musikmesse total! Vier Tage und Nächte war ich dort. Zugegeben, den
Sonntag habe ich mir erspart und für nächstes Jahr für den
vollen Nervenkollaps aufgehoben. Das Wochenende ist nämlich dem allgemeinen
Publikum vorbehalten, und was am Samstag schon offensichtlich war, wurde
am Sonntag sicher noch übersteigert. Betroffene konnten mir dies bestätigen.
Nach der letztjährigen leichten Resignation war in diesem Jahr
wieder sehr viel los, so daß zeitweilig nirgends ein Durchkommen
war, und das schon am Samstag!
Weiter zeigt sich hierbei auch, daß die wenigsten Direktverbraucher
von Musikelektronik irgend eine Ausbildung in dieser Richtung genossen
haben. Klavierstunden oder Blockflöten-, Gitarrenunterricht hatten
die meisten natürlich irgendwie gehabt. ZeM College und ähnliche
Institutionen kennen diese jedoch meist nicht einmal dem Namen nach. Aber
dann groß auftreten und die Aussteller als kostenlose Schulungsleiter
ausnutzen: "Wie schließe ich denn die Fenster? Warum sind die Schrauben
grün?" Die Händlertage schlossen solches natürlich nicht
aus. Doch war hier weitaus weniger los, wodurch dies nicht weiter auffiel.
Im Zeichen "Musikmesse" ist sie doch vorrangig "Musikinstrumentenmesse",
wenngleich es einige Konzertveranstaltungen gab. Diese sind jedoch nur
schmückendes Beiwerk und das Hauptaugenmerk liegt völlig auf
dem Instrument. Hier sollte zwischen den akustischen und elektronischen
Instrumenten unterschieden werden. Ja richtig, trotz der neueren technischen
Entwicklungen gibt es sie noch, die traditionellen Idiophone, Membranophone,
Chordophone und Aerophone. Wobei gerade die ersten drei Arten durch eine
nicht zu überhörende Hard-Rock-Welle neue Comebacks erlangen.
Bisher waren solche Überlegungen von geringer Bedeutung, da nach Abklingen
des Sampling-Fiebers sehr bald klar war, daß die historischen traditionellen
Instrumente nicht so schnell perfekt zu imitieren und somit zu ersetzten
waren.
Physical Modeling
Zwei Innovationen, die zu meinem Erstaunen nur wenige Besucher realisiert
haben, stellen die Imitationsmöglichkeiten jedoch neu in Frage: der
Yamaha VL1 und die Korg WaveDrum. Beide arbeiten mit Physical Modeling,
über das in der einschlägigen Fachliteratur in den letzten Monaten
ausführlich berichtet wurde. Meine Empfehlung ist hierfür der
gleichnamige Artikel von Claudius Brüse im April-Keyboards, dem für
Abonnenten eine CD beigelegt ist, die ein VL1 Demo beinhaltet. Meines Erachtens
ist es nun tatsächlich möglich, mit Hilfe vom VL1 (Virtuel Acoustic)
Blas- und Saiteninstrumente so zu imitieren, daß das akustische Ergebnis
über Lautsprecher dem Original so ähnelt wie noch nie. Teilweise
überstieg die Imitation das Original so, daß ich fast sagen
möchte, es klang sogar realistischer. Noch überzeugender jedoch
war Korgs WaveDrum, das, wie der Name schon sagt, sich zur Imitation von
perkussiven Klängen eignet. Hier würde ich wirklich behaupten,
daß Congas und Bongos über Lautsprecher noch nie so "perfekt"
bzw. "imperfekt" geklungen haben. Das Überzeugende war jedoch auch
die Möglichkeit, synthestisches wie FM in den imitierten akustischen
Klang mit einzubinden. Trotz Verweis auf die Fachartikel will ich doch
kurz die Funktion dieser neuen Synthese beschreiben. Im Gegensatz zu den
sample-ähnlichen Imitatoren beschreibt Physical Modeling einen wieder
echt synthetischen Weg. In diesen Instrumenten liegen keine fotografischen
Abbildungen von Naturklängen vor (= Samples); sondern vielmehr die
mathematischen Algorithmen, die die aktustischen Instrumente ausmachen.
Diese sind natürlich sehr zahlreich, und der Clou ist nun, daß
diese in Echtzeit berechnet werden. Was wäre, wenn ...!
Beim Ersetzten von traditionellen akustischen Instrumenten wird gerne
nahegelegt, daß dies auf dem Weg, den Menschen zu ersetzen, nur einen
weiteren logischen Schritt darstellt. Die bisherigen Ersetzungsversuche
der letzten 300 Jahre ließen dies durchaus vermuten. Der Mensch mußte
durch Begleitautomaten und Computer-Steuerung immer weniger selbst körperlich
in den musikalischen Prozess eingreifen. "Echte" Computermusik wird mit
den zwei Händen über Computer-Tastaturen oder Maus (Spurball)
eingegeben. Bei der neuen Imitationsinstrumentengeneration ist, wie mir
ein Probant persönlich versicherte, das Bespielen jedoch fast genau
so schwer, wie das Bespielen des akustischen Vorbildes. Mehr noch, da mehrere
verschiedene Instrumente möglich sind, ist es noch schwerer, da diese
alle im Orginal beherrscht werden müssen, um eine echte Imitation
zu erlangen.
Der Nutzen dieser neuen Entwicklung für die Elektronische Musik
ist sicher erst einmal gering. Es ist, wie erwähnt, zwar möglich,
Klänge zu modifizieren: eine Geige anzublasen, Congas mit FM zu mixen;
doch klingt das Ergebnis eben paradoxerweise natürlich immer irgendwie
wie Geige oder Horn. Da die klangbeeinflussenden Kriterien über MIDI-Controller
gesteuert werden, ist es jedoch durchaus denkbar, über Computersteuerung
Neues zu Erschaffen. Nicht der Spieler am Instrument regelt dann den Klangverlauf,
sondern ein Computerprogramm, wodurch Spielweisen auftreten könnten,
die so ein Musiker nicht durchführen kann. Klanglich ist sicher nur
die WaveDrum von Bedeutung, da sie die oben erwähnten traditionell
synthetischen Klänge aufweist. Eine Vorschau ist in diesem Anfangsstadium
noch überhaupt nicht absehbar. Wie bei der kommerziellen Einführung
der Frequenz Modulation müssen die nächsten Jahre zeigen, inwieweit
Physical Modeling unser Klangspektrum erweitert oder nur Bekanntes auf
elektronische Art wiederzugeben vermag!
MARS
Ein System, welches vorrangig das Karplus-Strong benutzt, wurde mit
Iris' MARS vorgestellt. Die Vorführung von MARS war fast auch die
einzige, die Elektronische Musik zu Gehör brachte. MARS vereinigt
Subtraktive- und Additive Synthese, Frequenz Modulation und Effekte mit
Karplus-Strong. Die Software (Atari) läßt genaue und umfangreiche
Eingriffsmöglichkeiten am System zu. Acht Einzelausgänge, Sampling
und FFT runden das System ab. Der Entwickler: Prof. Giuseppe di Giugno
war vor seiner Tätigkeit bei IRIS, Rom bei IRCAM, Paris. Weitere Informationen:
Brüse, C.: Kreatives Sound-Design - Dr. Karplus-Strong, in: KB
5/1991, S. 34-40
Brüse, C.: HighTech aus dem Park - Ein Besuch bei IRIS in Rom,
in: KB 5/1993, S. 46-54
Weitere "neue" Modelle
Die meisten neuen Elektrophon-Modelle waren Neuauflagen von alt Bekanntem.
Zur Übersicht die wichtigsten in lockerer Reihenfolge:
Roland wartete mit einem neuen preiswerten Sampler (4.720,-), dem S-760,
der alle anderen Sampler-Modelle ersetzt, auf. Die JV-Reihe setzt sich
nun aus JV-35, JV-50, JV-90, JV-880 und JV-1000 zusammen. Die neuen Sound
Canvas' sind: SC-50, SC-55 MK-II, SC-7, SC-88.
Korg stellte den i2/3 vor.
Bei Alesis konnte der auf der letzten Messe gezeigte QuadraSynth gehört
werden (Digital Out!).
Quasimidi stellte den Quasar vor, der über ein eigenwilliges "Ohne
Händler"-Konzept vertrieben wird. Der Photon war noch als Dummy im
Glaskasten zu bewundern.
Mit Waldorfs Wave können nun Wavetables aus FM-Wellen programmiert
werden.
Kawai ergänzt die GM-Welt mit dem KC20.
Yamaha zeigte neue QY-Modelle und den TG300.
Ensoniq erweitert seine Produktpalette mit dem TS-12.
E-mu's Morpheus morphiert Samples über 14-pol-Filter ineinander.
Generalmusic macht dem S2 mit Turbo Beine.
Control Synthesis' Deep Bass Nine läßt Techno-Bässe
mit Filtern sweepen.
Ein MiniMoog-Nachbau von Studio Electronics, der SE-1 und ein Oberheim
Klone, der OB-8 wurde von CML vorgestellt.
Diverse neue Peripherie-Geräte (Effekt-Processoren, Mischpulte)
sollen nicht einzeln aufgeführt werden, waren jedoch auch in vielen
Varianten zu bewundern.
Software - Computersysteme
Nachdem noch letztes Jahr eindeutig der DOSen Trend festzustellen war,
hat es sich in diesem Jahr ein wenig beruhigt. Überdurchschnittlich
viele Softwareanbieter der Mac-Plattform waren heuer vertreten. Windows-Kompatible
und Ataris schienen sich Mal fast die Waage zu halten. Dies liegt
vor allem jedoch daran, daß die klassischen Musiksoftwarehäuser
von Mac und Atari stammen, PC-Portierungen von Atari-Software noch im geringen
Umfang vorhanden sind und die übermächtige CeBit parallel stattfand.
Weiter sind musikalische Anwendungen auf PC's eher für Spiele, Multimedia
und Hobby gedacht, wie auf dem Stand von Magic Midia (ehem. Magic Music)
zu erfahren war. Die beiden "großen" Softwarehäuser Steinberg
und Emagic sind, wie bekannt, nun auf allen Plattformen (außer Amiga)
zu Hause und warten hier auch mit allem, was zu MIDI, Notendruck und Audio
benötigt wird, auf.
Der Notator Logic heißt nun nur noch "Logic"!
Besonders interessant ist Cubase Audio Falcon 2.0 mit 16 Audio-Spuren,
8 Analog Out (FA-8) und S/PDIF Digitalinterface (F.D.I) optional. Mit einem
Falcon HD-System kommt man mit gleichem Umfang auf ein Sechstel des Preises
von anderen Systemen. Die Daten sind voll kompatibel, wodurch ein Mastersystem
auf Mac, TT (Medusa) oder PC durchaus zum Zuhause üben durch Falconsysteme
ergänzt werden könnte. Avalon 3.0 wird die Falcon DSP Möglichkeiten
nutzen und Cubase Audio Falcon Daten verarbeiten können. Dadurch wird
es möglich, Sounds synthetisch mit dem Falcon zu erstellen und via
Cubase Audio zusammenzustellen und abzuspielen.
In einer ganz anderen Richtung hat sich inzwischen Delight von Geerdes
midisystems gemausert. Wie versprochen, wurden neue Module hinzuprogrammiert,
wodurch sich die Möglichkeiten von Delight weit über einen normalen
Standard-Sequencer hinaus bewegen. Für die Noten-Fetischisten wird
es "Carmen" geben, ein Notendruck-Modul, das von einem frustrierten Notator
SL-Anwender programmiert wurde. Die Processor-Page ermöglicht es,
ähnlich wie bei Max, Objekte zu komplexen Prozessen zu verketten.
Eine Style-Automatik und ein integrierter DrumMapper sind als Studio-Tools
optional erhältlich. Inzwischen stehen auch 120 MIDI-SYS-EX Treiber
mit 22000 Parametern zur Verfügung.
Neben den Geerdes Softworkstations (Editor+Manager+Sequencer) gibt
es nun auch die Editoren von DIMA e.V. Das Didaktische Institut für
multimediale Anwendungen e.V. ist ein Zusammenschluß von Y-Not (Editoren),
DVPi (Session Partener) und Megalith (Machina Musica).
Abschließend muß erwähnt werden, daß meines
Erachtens noch nie so stark nur rein kommerzielle Aspekte und Produkte
auf der Frankfurter Musikmesse zum tragen kamen. Ein MIDI-Halsband war
in diesem Jahr jedenfalls nicht mehr zu sehen.
↑
Erwin Koch-Raphael
Bericht aus Bremen
Wir haben einen neuen Vorstand und zwei neue Mitglieder: die Musikschule
Beck in Bremerhaven und Michael Pitz-Grewenig, der manchen BremerInnen
sicher schon aus seinen Musikkritiken, die er im "Weserkurier" schreibt,
bekannt ist.
Unser neuer Vorstand, nach der Jahreshauptversammlung, sieht nun wie
folgt aus:
Georg Sichma (1. Vorsitzender)
Okeler Straße 68, 28857 Syke-Okel
Telefon: 04242-3011
Jens Bendig (2.Vorsitzender)
Danziger Straße 13, 28790 Schwanewede
Telefon: 04209- 69967
Jörn Brinkhus (Schatzmeister)
Lichtenhainerstraße 5, 28205 Bremen
Telefon: 0421-4987487
Erwin Koch-Raphael (Schriftführer)
Hagenauer Straße 28, 28211 Bremen
Telefon: 0421-3499738.
Knapp zusammengefaßt lautete der Bericht des Vorsitzenden für
Bremen 1993:
"Die Aktivitäten waren 1993 unterschiedlich verteilt. Während
manche Mitglieder wegen Prüfungen und Arbeitsantritten zurückhaltender
als sonst waren, sind auf der anderen Seite wichtige Veränderungen
im positiven Sinne erfolgt, so zum Beispiel die Mitarbeit von ZeM bei der
Konzeptionierung des "Studio für elektroakustische Kunst" (SeaK),
das 1994 an der HfK eingerichtet wird, ebenso haben ZeM-Mitglieder bei
der Einrichtung des NeXT-Computers entscheidende und umfangreiche Hilfe
geleistet. Viel Arbeit wurde auch in die Planung und Vorbereitung des Konzerts
der Angestelltenkammer am 12.2.1994 gesteckt, ein Konzert, das inzwischen
sehr gut und erfolgreich über die Bühne ging (siehe ausführlichen
Bericht in diesem MT). Es gab Austritte aus dem Verein: Marc PIRA, Andreas
PLAß und Ulla LEVENS."
Georg Sichma berichtete in der Versammlung dann über seinen Besuch
bei ZeM Freiburg und über die Perspektiven weiterer Kooperation mit
Freiburg. Georg Sichmas Bericht schloß ab mit Ankündigungen
von Vorhaben in Kooperation mit der DecimE und einigen kurzen Anmerkungen
zur bisherigen positiven Zusammenarbeit mit diesem großen Dachverband
für elektronische und elektroakustische Musik.
Im weiteren Verlauf der Versammlung gab es noch folgende wichtige Informationen
zu verteilen, die auch NichtbremerInnen sicher interessieren:
1) Im OFFENEN KANAL gibt es jetzt eine Hörfunkwelle: 107,1 MHz.
Die Eröffnungssendung erfolgte am 25.2. und 26.2. von 14-16 Uhr.
Beiträge von ZeM sind immer dringend erwünscht, bitte an
Jens schicken. Und jederzeit!
2) Georg Sichma stellt die Frage nach einer Archivierung unsrer von
Folkmar HEIN (DecimE) erhaltenen Tonträger über elektronische
Musik. Desgleichen nach der Deponierung unsrer Vereinssoftware von TSI:
AVALON 2.0, CUBASE 2.0, SYNTHWORKS (für TX 802) und MA-STERSCORE.
Wir werden nach sinnvollen Möglichkeiten suchen, sie zu archivieren.
Vielleicht sollten wir eine gemeinsame Suchdatei hierzu mit unsrer Freiburger
Schwester aufmachen?
3) Jens Bendig informiert uns über die Audiodatenbank DIGIT, zu
der ein einfacher Zugriff für jeden von uns möglich ist. Wie
das geht, wollen wir einmal bei einem Termin in der Firma HDA gemeinsam
klären. Dazu soll Jörg HOUPERT von uns angesprochen werden.
4) Ingo erklärt seinen und Frank HEMMEs Austritt aus ZeM (beide
aus Bremerhaven) und verkündet gleichzeitig, daß seine ganze,
neu gegründete Musikschule, die Musikschule BECK, Mitglied bei ZeM
wird. Dies wird mit Sekt gefeiert. Die Musikschule BECK hat ca. 200 SchülerInnen,
besitzt ein großes Studio für MIDI-Anwendungen, es gibt Kurse
in Audioverarbeitung, Tonaufnahmen für eine Kassette und es existiert
eine gute Rockband. Hier haben mehrere ZeM-Mitglieder eine Arbeit (feste
Stelle) gefunden. Wir beschließen, unsre nächste reguläre
Mitgliederversammlung am 6. Mai 1994 um 20 Uhr in der Musikschule BECK
in Bremerhaven abzuhalten. Wer mit will, meldet sich vorher verbindlich
bei Erwin an (0 421 / 34 997 38, Anrufbeant-worter genügt), um 19
Uhr am 6. Mai treffen wir uns dann bei Erwin und los geht es mit 1-2 PKW.
5) Am 29.4. ist abends im Bremerhavener "Westend" ein Konzert mit elektroakustischer
Musik: "Neue Lieder zur Arbeit". ZeM-Mitglieder sind hierzu eingeladen.
6) Am 1.10. 1994 feiert die Musikschule BECK ihr einjähriges Bestehen
in einem ganztägigen Fest. Alle ZeM-Mitglieder sind hierzu herzlich
eingeladen. Genauere Informationen folgen noch übers Mitteilungsblatt
oder per Anschreiben.
Es wurde spät, und der Abend schloß mit einer sehr erregten
und heiß geführten Diskussion über Ethik (aber auch Ästhetik)
von "Science Fiction" und technologisch orientierter Kunst. Es wurde klar,
daß in unserm Bereich das Ethische in sämtlichen Diskussionen
überall zu kurz kommt, erkannten aber, wie notwendig gerade dieser
Punkt der Diskussion heute ist, wenn unsre Musik noch in 10 Jahren eine
Daseinsberechtigung haben soll: zur Zeit ist das meiste sehr überflüssig.
↑
Gerda Schneider
Freiburg-Nachrichten
Mit der Jahreshauptversammlung zu Beginn des neuen Jahres begann das
neue Vereinsjahr mit einem teils neuen Vorstand:
1. Vorsitzender: Klaus Weinhold
Postfach 1574, 79305 Emmendingen
Telefon: 07641-78 76
2. Vorsitzender: Dr. Joachim Stange-Elbe
Hämmerlegäßle 4a, 79112 Freiburg-Opfingen
Telefon: 07664 - 36 63
Schriftführerin: Gerda Schneider
Andreas Hofer-Straße 39 A, 79111 Freiburg
Telefon: 0761 - 48 23 79
Schatzmeister: Franz Martin Löhle
Wippertstraße 2, 79100 Freiburg
Telefon: 0761 - 40 90 14
Da über die Aktivitäten des Vereins im Jahre 1993 bereits
in der Januar-Ausgabe des Mitteilungsblattes berichtet wurde, soll hier
nur noch einmal auf ein wichtiges Ereignis eingegangen werden, das die
Arbeit des Vereins ganz stark betrifft: Der Brand der Aula vor einem Jahr.
Denn nun steht uns außer der Steinhalle in Emmendingen, die einmal
im Jahr für Vorführungen genutzt werden kann, bei unseren geringen
finanziellen Mitteln kein ansprechender Raum für Veranstaltungen zur
Verfügung. Das heißt aber nichts anderes, als daß wir
aufgrund dieser Umstände fast gezwungen sind, uns aus der Öffentlichkeit
zurückzuziehen, Produktionen zu machen, die nicht gehört werden
können, über Elektronische Musik zu reden, statt sie sinnlich
wahrnehmbar zu machen. Vielleicht werden manche Hörer sich fragen,
ob es uns überhaupt noch gibt.
In der Versammlung wurde auch die Erhöhung des Mitgliedsbeitrags
für Aktive beschlossen sowie eine Reduzierung des Beitrags für
die Fördermitglieder, um so die Fördermitgliedschaft ausbauen
zu können. Ob das Experiment gelingt, auf diese Weise interessierte
Hörer, die selbst nicht produzieren, für den Verein zu gewinnen,
wird sich zeigen. Wir hoffen es jedenfalls. Getrübt wird diese Hoffnung
allerdings durch die stark beschränkten Vorführmöglichkeiten
seit dem Brand der Aula.
Den Schwerpunkt bildeten in dieser Jahreshauptversammlung jedoch nicht
die formalen Dinge, sondern die inhaltlichen Fragen.
So bestätigte die Wahl des Vorstands nicht nur die bislang eingeschlagene
Richtung, sondern setzte auch neue Akzente. In seiner Einführung gab
Herr Weinhold zunächst einen Rückblick, der sich auch deshalb
anbot, da vor genau 10 Jahren, als es den Verein noch gar nicht gab, sein
erstes Konzert mit Elektronischer Musik in der Aula der PH stattfand. Einerseits
ein Grund zum Feiern, andererseits aber auch ein Anlaß für eine
enttäuschende Einsicht, nämlich daß die hohe Zeit der Elektronischen
Musik, gekennzeichnet durch großartige Erfindungen sowie Aufgeschlossenheit
und Interesse beim Publikum, offensichtlich vorbei ist. Diese bittere Erkenntnis,
die sich an vielen Phänomenen unserer Zeit festmachen läßt,
hindert Herrn Weinhold jedoch nicht daran, mit unvermindertem Engagement
und im eigentlichen, d.h. positiven Sinn radikal für die Sache der
Elektronischen Musik einzusetzen.
In der sich anschließenden Diskussion über das Selbstverständnis
des Vereins, die von der Frage nach dem geistigen Hintergrund ausging,
wurde auf dieses Statement immer wieder Bezug genommen, z. B. was die Ablehnung
der Elektronischen Musik betrifft. Diese Ablehnung sieht Herr Stange in
einem größeren Zusammenhang, als ein gesellschaftliches Phänomen,
das die moderne Kunst überhaupt betrifft. Insgesamt wurde die Grundlinie
bestätigt. Herr Stange brachte dies auf den Punkt mit der Formulierung,
daß nicht eine Veränderung der Inhalte gefordert sei, sondern
an der Form der Darbietung gearbeitet werden müsse, und machte dazu
entsprechende Vorschläge, die auch bereits praktizierte neue Vorführformen
wie die Soundausstellung aufgriffen.
Das Selbstverständnis des Vereins muß, darin waren sich
die meisten Anwesenden einig, durch eine verstärkte Diskussion über
Elektronische Musik und Audio-Art, durch das ständige Fragen und Suchen
nach dem geistigen Hintergrund gefunden, gestärkt und vielleicht neu
gefunden werden. Dies will sich der neue Vorstand zu seinem besonderen
Anliegen machen.
↑
Ingo Beck
Private Musikschule - rentabel und erfolgreich?
Während die kommunalen und in Vereinsträgerschaft aufgebauten
Musikschulen in Anbetracht der sich verschlechterten Finanzlage der Städte
und Gemeinden um Zuschüsse und deren Höhe noch mehr bangen müssen
als bisher, scheint es den Musikschulen freier Trägerschaft besser
zu gehen. Dies, obwohl das Unterrichtsentgelt in der Regel deutlich höher
liegt als das der kommunal geförderten Einrichtungen.
Worauf ist das zurückzuführen? Ich meine - und dieser Auffassung
sind auch meine Kollegen- es liegt daran, daß die privaten Musikschulen
den Schülern ganz andere Angebote machen und in den Häusern eine
andere (private) Atmosphäre herrscht. Hier werden die Schüler
- ohne Altersbegrenzung - wie Kunden behandelt. Auf besonderen Wunsch werden
die Schüler sogar per Hausbesuch durch die Musikschullehrer "bedient".
Der Zulauf dürfte aber auch darauf zurückzuführen sein,
daß ständig für qualifizierte, engagierte Junglehrer gesorgt
wird. Dabei wird insbesondere auf die Exklusivität im Unterrichtsangebot
geachtet und moderne Technik - wie Computerprogramme beim Keyboardunterricht
- eingesetzt.
Eine weitere Besonderheit liegt darin, daß den Schülern
die Jahresstunden garantiert werden, d.h., durch welchen Umstand auch immer
ausgefallene Stunden werden grundsätzlich nachgeholt.
Ich war selbst lange Lehrer an einer öffentlichen Musikschule
und weiß, daß neben der Ferienzeit auch noch diverse Stunden
aus anderen Gründen auf Kosten der Schüler ausfallen.
Viele Leiter von kommunalen Jugendmusikschulen halten natürlich
nicht viel von der Exklusivität und den Hausbesuchen der privaten
Musikschulen. "So kann die instrumentale Musikerziehung der Zukunft nicht
aussehen": meinen einige, müssen jedoch einräumen: "sicherlich
werden die Zeiten der gemeinnützig arbeitenden Einrichtungen härter",
schränken dann schon wieder ein und meinen: "es handelt sich um eine
gegenwärtige Entwicklung einer Übergangsphase und die privaten
Musikschulen braucht man nicht als Konkurrenten zu fürchten."
Hinzugefügt wird sicherlich die bekannte Argumentation, daß
die öffentlichen Musikschulen Kulturträger sind und den sozialen
Gedanken des Lernens und Erziehens unter sozialen Gesichtspunkten als Auftrag
hätten.
Es ist eine zurückzuweisende Behauptung, die Privatmusikschulen
planen nur kurzfristig, haben keine klare Konzeption und orientieren sich
nur nach der Nachfrage.
Jeder Schüler möchte sich seine Unterrichtsform nach Alter
und Begabung aussuchen. In den meisten Fällen steht der Wunsch, in
einer Gruppe mitmachen zu können, im Vordergrund. Schülerbands
oder Ensemblegruppen, die insbesondere die privaten Musikschulen bieten,
sind von besonderer Wichtigkeit.
Für die privaten Musikschulen gibt es keine Subvention. Diese
müssen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt
werden. Sparsamkeit ist also das höchste Gebot, jedoch nicht an der
Qualität des Unterrichts.
Als ich meine Musikschule am 1. Oktober 1993 eröffnete, gingen
dem Monate schwerster Arbeit voraus. Es mußte ein angemessenes, geeignetes
Gebäude in günstiger Lage gefunden werden. Die Finanzierung,
der Umbau - Wohnräume in Unterrichtsräume umgestalten- , die
Einrichtungen und Ausstattungen beschaffen, für Schallisolierung sorgen
usw., usw. erforderten hohe Investitionen. Sehr kostenaufwendig war die
Einrichtung eines Tonstudios.
Doch schon jetzt kann ich behaupten, daß sich dieser Aufwand
gelohnt hat. Das Studio ist nicht nur für die Schüler und Schulbands
da, sondern wird auch außerhalb der Musikschulzeiten als Übungs-
bzw. Aufnahmeraum vermietet.
Auch meine eigenen Kompositionen erstelle ich in diesem Raum. Ich arbeite
mit einem Atari 1040 STE und dem Sequenzerprogramm Notator. Natürlich
haben wir Notator Logic und andere MIDI-Software. Als besonderes Programm
haben wir das eigen erstellte Notenlernprogramm NOTE BY NOTE. (Infos unter
0471/801885).
Die Schülerzahl liegt bei 200 und ist steigend. Die Arbeit macht
meinen zehn Lehrern und mir sehr viel Spaß und ich bereue nicht,
den ungewissen Weg in die Zukunft eines "Jungunternehmers" angetreten zu
haben.
↑
5. Kompositionswettbewerb (1994) für Synthesizer-
und Computermusik
Die 'neue akademie braunschweig e.V. (nab) - verein für progressive
musik + kunst' veranstaltet auch in diesem Jahr wieder ihren "Kompositionswettbewerb
für Synthesizer- und Computermusik". Folgende Bedingungen werden gestellt:
1. Die Musik soll für einen Spieler konzipiert sein und kann eine
beliebige Anzahl Synthesizer/ Sampler und Computer umfassen.
2. Die Komposition kann stilistisch frei gearbeitet sein, soll sich
jedoch von kommerzieller U-Musik absetzen.
Das eingereichte Werk soll sich vor allem durch kompositorische und
synthesizerspezifische Eigenständigkeit auszeichnen. Es darf noch
nicht veröffentlicht worden sein.
Dauer: höchstens 15 Minuten.
3. 1. Preis: DM 3.000,- / 2. Preis: DM 2.000,- (Im Falle einer Kürzung
unserer Mittel, müssen auch die Preisgelder gekürzt werden.)
Die Preisträger sollen in der Veranstaltung "Medien-Nacht" im
Rahmen des 13. Synthesizer Musik Festivals am 29. Oktober 1994 in Braunschweig
ihre Werke live uraufführen.
5. Die Jury besteht aus:
- Prof. Dr. Dieter Salbert (Braunschweig, Komponist)
- Alexander Stein (Hannover, Flötist, Komponist)
- Prof. Dr. Wolfgang Martin Stroh (Oldenburg, Musikwissenschaftler,
Komponist)
6. Letzter Einsendetermin (Poststempel):
31. Juli 1994
Anschrift:
Neue Akademie Braunschweig e.V.
Reiherweg 3
D-38527 Meine
Tel. 05304-3578
7. Falls die eingereichten Werke nach Abschluß des Wettbewerbs
an den Bewerber zurückgeschickt werden sollen, bitte das Rückporto
in Briefmarken beilegen.
↑
Fünf Jahre ZeM e.V. Freiburg
ZeM Freiburg wurde am 29. November 1989 gegründet und kurz darauf
in das Vereinsregister eingetragen.
In diesem Jahr wird der Verein also fünf Jahre alt. Dieses wollen
wir zum Anlaß nehmen, die Herbstveranstaltung in der Steinhalle Emmendingen
(15./16. Oktober 1994) zu nutzen, dieses Datum gebührend zu begehen.
Weiter planen wir zusätzliche Veranstaltungen (Workshops, Vortragsveranstaltungen)
in diesem Zeitraum.
Zu einem guten Gelingen dieser Absicht ist es notwendig, daß
wir organisatorisch und inhaltlich frühzeitig (bis Juni) über
die Veranstaltungen im klaren sind.
Wir rufen deshalb alle Mitglieder dazu auf, sich darüber Gedanken
zu machen und uns möglichst bald ihre Zusage zur Mithilfe zu geben.
Besonders würden wir uns über eine Beteiligung von ZeM Bremen
Mitgliedern freuen. Eine entsprechende Revanche im April nächsten
Jahres (Fünf Jahre ZeM Bremen) wird es natürlich geben.
Der Vorstand (ZeM FR)
↑
Rückseite
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