ZeM Mitteilungsheft Nr. 15 - September 1994
Redaktion: Gerda Schneider
Gerda Schneider
Doch Grund zum Feiern!
Das Jahr 1994 ist für ZeM Freiburg ein Jubiläumsjahr. Das
erste Jubiläum: Klaus Weinhold, erster Vorsitzender des Vereins,
Vordenker und Protagonist der Elektronischen Musik, konnte in diesem Jahr
seinen 60. Geburtstag feiern. Dies war Anlaß, eine Sonderausgabe
des Mitteilungsblattes für ihn herauszugeben mit seinen Beiträgen
seit Bestehen des Vereins (1). Aus diesem Heft soll ein "fremder" Beitrag
hier noch einmal abgedruckt werden, da in ihm ein Musiker und Musikpädagoge, der dem Verein nicht angehört, mit seinen Gedanken zur Elektronischen
Musik eine zum Nachdenken anregende Außenansicht der Sache gibt.
Das andere Jubiläum: Wir können auf 5 Jahre Vereinsarbeit
zurückblicken. Aus diesem Grund finden im Oktober dieses Jahres Veranstaltungen
verschiedener Art an zwei Wochenenden in Freiburg an der PH und in der
Steinhalle Emmendingen statt. Das 5jährige Bestehen des Vereins ist
auch Schwerpunktthema dieser Ausgabe, da es uns zur kritischen Reflexion
über unser Tun in Vergangenheit und Zukunft auffordert. Ohne Selbstgefälligkeit
können wir sagen: Was der Verein in dieser Zeit für die Elektronische
Musik in Theorie und Praxis geleistet hat, kann auf der Haben-Seite verbucht
werden, auch wenn der Erfolg hinter den - anfänglich vielleicht zu
hohen- Erwartungen zurückblieb. Die 5 Jahre Arbeit für Elektronische
Musik können nicht mehr ungeschehen gemacht werden, sie sind Geschichte
geworden, ein Faktum, und das ist Grund zum Feiern, unabhängig davon,
wie die Entwicklung weitergehen wird.
↑
Klaus Weinhold
2 x 5 = 10
5 Jahre ZeM, entstanden im Jahre der Wende in Deutschland, was sicherlich
viele von uns zur unbewußten Meinung verleitete, daß sich auch
in der Elektronischen Musik eine Wende, sicher zum Guten, herbeiführen
lasse. 5 Jahre sind vergangen. Was ist aus der Wende geworden? Im Osten
ist die PDS erstarkt, und die Grünen drohen zu verschwinden. In der
Elektronik sind die Presetinstrumente wieder im Kommen, die experimentellen
Klangerzeuger in den Hintergrund getreten. Erstarkt sind auch die Parteien,
die sich am Herkömmlichen orientieren, so wie sich auch viele neuen
elektronischen Instrumente darum bemühen, die herkömmlichen klassischen
Klangerzeuger nicht nur zu imitieren, sondern vielleicht sogar zu verbessern.
Zurück zur Elektronik: 1984 entstand der Wunsch, neue elektronische
Produktionen vorzuführen. Da man derartige Vorführungen nicht
so recht als Konzert ansehen wollte, blieb in mancher Munde bis heute das
Wort "Vorführungen" erhalten. Es zeigt sich darin eine Unsicherheit,
Vorführung will nicht recht passen, Konzert noch weniger, also entsteht
die Frage: Wie sollen wir unsere Darbietungen eigentlich nennen? Schon
vor 10 Jahren ergab es sich einfach, daß man vom Live-Spiel Abstand
nahm, ganz einfach deshalb, weil aus kompositorischen und anderen technischen
Gründen eine Produktion vor anwesendem Publikum sicher nicht uninteressant
gewesen wäre, aber eben doch nicht zu solcher Reflexion und Überdenkung
führen konnte, wie dies in einem Studio möglich ist. So kam es
und so blieb es bis heute: Die meisten Produzenten bringen ihre vorgefertigten
Tonträger mit und führen deren Inhalt vor. Daß die Ergebnisse
immer aus Lautsprechern kommen, setzen wir natürlich als bekannt und
gegeben voraus.
Wie sollten wir die Produktionen betiteln? Elektronische Musik, Computermusik,
Soundsynthesen, Soundprozesse? Wieder Fragen über Fragen, die bis
heute nicht beantwortet sind, denn offenbar gibt es für die Elektronische
Musik wie sie hier vor 10 Jahren entstand, noch keinen passenden Namen.
Ob das Gehörte und zu Hörende überhaupt Musik ist, sei dahingestellt.
Voraussichtlich wird sich der Begriff Audio-Art endgültig durchsetzen.
Ein intelligenter Zuhörer, der in mehreren Vorführungen anwesend
war, schrieb folgendes: "Es braucht eine polare Welt, eine klare Abgrenzung
von oben und unten, von rechts und links, von gut und böse. Deshalb
Ablehnung aller Musik, die vom Zuhörer verlangt, sich in einem nichtpolaren
Gebilde zurechtzufinden." Der Schreiber fährt fort: "Ich glaube, daß
dies eines der Haupthemmnisse dafür ist, daß sich sehr wenige
Menschen mit Ihrer Musik auseindersetzen wollen. Die Vorstellung, daß
wir ein lebensfähiges unpolares System schaffen können, treibt
vielen Menschen Schauer über den Rücken. Da es durch die Aufhebung
von Macht und Gegenmacht von jedem Individuum verlangt, sich überall
und jederzeit selbst zu orientieren. Es gibt somit keine allgemeingültigen
Prinzipien mehr, die reflexionslos übernommen und angewendet werden
können. Dadurch steigt natürlich auch die Angst vor der eigenen
Verantwortung, die damit bekämpft wird, daß man schlicht behauptet,
eine solche Gesellschaft würde im Chaos enden. "
In dieser Äußerung ist sehr deutlich zum Ausdruck gebracht,
warum die Elektroniker und darum wir nicht mehr "gewählt" werden.
Es ist nicht einmal mehr eine Zitterpartie, sondern wir bleiben schlichtweg
unter 2% (diese Zahl entspricht etwa den studentischen Interessenten an
der PH Freiburg).
Gehen wir zur aktuellen Situation der Elektronik zurück. In den
neuen Morpheus-Geräten der Firma EMU sind es gerade die Chaos-Hüllkurven,
die etwas Neues darstellen und neue Kläge ergeben sollen. Der Haupteinwand
des Schreibers des obengenannten Zitates ist die Ablehnung eines nichtpolaren
Systems. Es würde den Rahmen dieser kurzen Ausführungen sprengen,
wenn man über den Gegensatz Polarität - Nichtpolarität reflektieren
wollte. Eines ist Tatsache: Die polare Welt mit ihrem Zweiheitsprinzip
ist die Auffassung des natürlichen Menschen. Der Rassist, der Fundamentalist,
der Dogmatiker, sie alle können uns sagen, was gut ist und was oben
ist, was schön ist und was edel ist. Die großen geistigen Führer
der Menschheit haben, wenn man ihre Forderungen und Aussagen auf einen
Grundnenner bringt, immer versucht, den Weg in eine nichtpolare Welt zu
zeigen: Aufhebung der Subjekt-Objekt-Spaltung, Aufhebung des Gegensatzes
zwischen Natur und Mensch.
Was heißt das für die Musik? Daß wir die Trennung
zwischen dem Ton und dem Rauschen aufheben,daß wir im Rauschen alle
Töne, alles Schöne in einer ungeheuren Abwechslung wahrnehmen
können und daß wir den Ton in seiner Ärmlichkeit erkennen,
wenn er zuwenig von diesem allumfassenden Rauschen enthält. Doch nicht
nur das: Der Schreiber des obengenannten Briefes hat sicherlich nicht das
Rauschen bemängelt, das vermutlich gar nicht zu hören war, sondern
er hat bemerkt, daß diesen Klangprozessen jegliche Differenzierung
nach oben und unten, nach tief und hoch und damit von gut und schlecht
fehlt. Nichts ist in diesen Klangproduktionen abzugrenzen, nichts zu definieren,
nichts gegenständlich zu benennen. Die Reaktion: Ablehnung, denn diese
Klangwelt führt zwar nicht zur Auflösung von Begriffen, aber
sie führt zur Vermengung und Verwirrung ehemals klar abgegrenzter
musikalischer Begrifflichkeit. Ob wir uns mit der nichtpolaren Musik nicht
doch im Bereiche der Natur befinden, dürfte keine Frage sein, denn
wo ist im Weltall oben und unten, rechts und links? So kann man der Auffassung
sein, daß die Elektronische Musik ein künstlerischer Ausdruck
einer modernen Erkenntnis der Welt darstellt.
Diese neue Elektronische Musik läßt sich vereinfachend als
Klangfarbenmusik beschreiben. Klangfarben erlauben kaum Abgrenzungen, keine
Skalierungen, kaum Vergleiche. Farben sind in unserer klassischen Wirklichkeitsdeutung
Akzidentien, die sich auf Substanzen, also Gegenstände, als zusätzlich
darüber legen. Was nun, wenn diese Akzidentien Substanzen werden?
Dann schwindet die Gestalt, die als Substanz der Farbe zugrunde liegt,
die Farbe wird selbständig, sie wird als sinnlicher Zustand erlebt.
Nicht mehr Gestalten, sondern Zustände, nicht mehr Töne, die
eine feste und eindeutige Gestalt haben, sondern klangliche Farbzustände,
die stets wechselnd und bunt schillernd das Ohr teils affizieren, teils
beleidigen, werden produziert.
Die Elektronische Musik als Klangfarbenproduktion, offenbar ist das
nicht nur eine Lieblingsidee des Artikelschreibers, sondern der schon oben
zitierte Morpheus der Firma EMU erlaubt dem Musiker Klangfarbenmusik mit
einem einzigen Tastenanschlag stundenlang und ohne die geringste Wiederholung
zu produzieren (frei wiedergegeben nach dem Testbericht in Keys 1/94).
Es ist interessant, daß führende Elektroniker immer wieder darauf
hingewiesen haben, daß offenbar nichts langweiliger sei, als Klangfarben
zu produzieren. Unsere Ausführungen hier sollen deutlich machen, daß
das Gegenteil genauso richtig ist: Daß man also sagen könnte,
daß nichts langweiliger ist, als Kompositionen mit Tönen herzustellen.
Was wollten wir in den 10 Jahren? Neues, Anderes, Alternatives, Experimentelles.
Anwendungen modernster Klangtechnologie in neuen oder auf traditionellen
Formen beruhenden Gestaltungen.
Wir reihen uns auch in die Folge "Bewegungen" ein, die immer wieder,
insbesondere in diesem Jahrhundert, gegen das Bestehende, Etablierte und
Traditionelle anzugehen versuchten, die etwas Neues oder Anderes entwickeln
wollten. Unser Ziel heißt nun nicht "zurück zu etwas", Restauration,
Wiederentdeckung, sondern "vorwärts zu etwas", suchen, experimentieren.
Noch etwas ganz Wichtiges: statt Abhängigkeit von einer Kultur,
statt Anpassung an eine solche, sich auf sich selbst stützen, an sich
selbst lernen, sich selbst entwickeln. Nicht Anpassung an Normen, sondern
versuchen, sich selbst in der eigenen Produktion zu finden. Musikalische
Selbstversorger sollten wir werden, uns umgeben mit eigenen Produkten,
die uns erfreuen und befriedigen, die uns zeigen, wer wir eigentlich sind.
Wir wollen vom Mieter zum Eigentümer werden. Zugleich wollen wir zurück
zu den Quellen der Klänge, und werden damit zu einer besonderen Art
von Fundamentalisten, wir wollen ausgehen von der Grundlage, vom Fundament
des Klanges, von der Sinusschwingung und deren Vielfältigen. Zum Schluß
seien drei fundamentale Quellen des neuen Klanges erwähnt. Sie waren
es, die den Schreiber dieses Artikels aus dem Schlaf der Tradition erweckt
haben: 1. das Rauschen 2. der LFO und 3. das Portamento. Das Rauschen als
Quelle aller Klänge, in dem alles erhalten ist; der LFO als das Erdbeben
des Tones; der stabile Klang geht nach oben und unten, es geht drunter
und drüber und insbesondere der Chaos-LFO würde in seiner Nichtpolarität
den Schreiber des obigen Briefes erschrecken und er würde eine unendliche
Klangfarbenmelodie, in einem Filter über das Rauschen gelegt, erzeugen.
Das Portamento, das eines aufhebt: die Skala; das die Skalierung, das die
Gegensätze ausgleicht, einebnet, das ein weiches Gleiten vom einen
zum anderen herstellt statt der starren, unausgeglichenen Übergänge,
wie sie die klassischen Tonstufen darstellen.
↑
Franz Martin Löhle
ZeM College
- jetzt mitten in den Reben
... nein, ZeM College wird jetzt nicht auf die Produktion eines Elektronischen
Weins umsteigen, sondern sich auch weiterhin der Elektronischen Musik widmen.
Drei Jahre ZeM College im Technologiezentrum Freiburg sind nun zu Ende
gegangen. An dieser Stelle soll deshalb auch der Stiftung TZF gedankt werden,
die die Möglichkeit für junge Unternehmen bietet, Gewerbeflächen
günstig und mit Service anzubieten. ZeM College war es gegönnt,
diese Möglichkeit zu nutzen und sich entsprechend dem "Durchlauferhitzerprinzip"
der Technologiezentren zu institutionalisieren.
Fünf Jahre besteht die Möglichkeit, TZF-Mieter zu bleiben.
ZeM College hat sich für "Absprung" nach "draußen" nun schon
früher entschieden, da die Studios und der Materialfundus in diesen
drei Jahren an Umfang zugenommen haben, so daß schon seit Ende 1992
die ersten Auslagerungen in andere Räume stattgefunden hatten. Hierdurch
entstand, neben der ursprünglichen Absicht, ein Institut mit einer
Örtlichkeit zum regen Austausch zu haben, der Weg der Sub-Studios,
die bei den einzelnen Dozenten stehen. Weiter kann hierdurch auch der einzelne
Dozent jederzeit in "seinem" ZeM-College Studio arbeiten, ohne ein Duplikat
davon bei sich zu Hause zu haben. Zusätzlich ist es somit auch einfacher,
die verschiedensten Hard- und Software-Komponenten für Kunden zur
Verfügung zu stellen. Egal, über welche Computerplattform, welche
Soundsynthese und welche Software Elektronische Musik erstellt werden soll
- ZeM College kann die entsprechenden Kurse anbieten.
Bei der neuen Adresse ... mitten in den Reben... liegt die ZeM-College
Verwaltung mit dem Hauptstudio und dem ZeM College Archiv. Hier laufen
somit die Fäden der Forschungsergebnisse und Entwicklungen zusammen
und werden archiviert.
↑
Dr. Joachim Stange-Elbe
Elektronische Musikinstrumente.
Ein historischer Rückblick mit zeitgenössischen
Dokumenten.
6.Teil: Saitenspiele (1).
Das Trautonium
Außer dem Trautonium waren - neben dem Theremin-Apparat - alle
bisher vorgestellten elektrischen Instrumente nach dem Zweiten Weltkrieg
zumindest in Deutschland nicht mehr aktiv verfügbar. Die ständige
Präsenz des Trautoniums lag in erster Linie an seinem Erfinder Friedrich
Trautwein, der als Mitarbeiter der Rundfunkversuchsstelle an der Berliner
Musikhochschule die richtige industrielle und radiophone Lobby besaß,
sein Instrument unter optimalen Bedingungen bauen und der Öffentlichkeit
präsentieren konnte. Zum anderen war es das unermüdliche Bemühen
des einzigen Spielers, Mit- und Weiterentwicklers Oskar Sala, der bis heute
"sein" Instrument als eines auch unter heutigen modernen elektronischen
Prämissen einzigartig hochentwickelten Klangerzeugers ständigen
Neuerungen unterworfen hat: In diesem Instrument treffen sich Altes und
Neues zu einer musikalisch-technischen Synthese.
Friedrich Trautwein (1888-1956) war eine schillernde Persönlichkeit.
Beispielsweise liegen über seine Berufsbezeichnungen gleich mehrere
Angaben vor: Physiker und Postrat, Organist und Musikwissenschaftler, Dr.
Ing. und Postrat, Ingenieur und Akustiker und schließlich Elektrotechniker
und Musiker. Von allem traf etwas zu. Seit 1935 war Trautwein Professor
an der Berliner Musikhochschule und unterrichtete 1930-1945 an der Technischen
Hochschule Berlin. Daneben übte er eine Tätigkeit als Postrat
beim fernmeldetechnischen Zentralamt aus und gab nach dem Zweiten Weltkrieg
Tonmeisterkurse am Robert Schumann Konservatorium in Düsseldorf.
Nachdem schon im April 1924 die erste Patentanmeldung vorgelegen hatte,
das die wichtigsten Grundmerkmale des Trautoniums beschrieb, stellte Trautwein
sein Instrument erst 1930 in schon wesentlich ausgereifterer Form im Rahmen
der Veranstaltung "Neue Musik Berlin 1930" vor. Bei der Klangerzeugung
lehnte Trautwein im Gegensatz zu wie Mager und Theremin sich nicht an die
Helmholtzsche Klangtheorie an, bei seinem Prinzip handelt es sich vielmehr
"um die zweifellos erstmalige praktische synthetische Anwendung der Formantenlehre
aus der Theorie der Sprachlaute. Trautwein geht davon aus, zunächst
einmal auf möglichst einfache Weise ein Gemisch von zahlreichen elektrischen
Schwingungen zu erhalten, aus denen dann in analoger Weise, wie das bei
der Bildung von Sprachlauten aus Sprachformanten in der Mundhöhle
beim Sprechen der Fall ist, durch elektrische Mittel einzelne Schwingungen,
gegebenenfalls in beliebig variierbarer Mischung miteinander, ausgesiebt
werden" (K. Teucke: Aus der Entwicklung der elektrischen Musikinstrumente,
in: FUNK-Bastler, 1933, S. 607.). In seiner Publikation "Elektrische Musik"
(Berlin 1930) geht Trautwein ausführlich auf seine Klangsynthese nach
der Hallformantentheorie ein, immer unter dem Gesichtspunkt der musikalischen
Erfordernisse eines elektrischen Klangerzeugers. Die Beschreibung seiner
Klangsynthese ist in ihrer Verbalisierung keineswegs frei von den Assoziationen
bekannter Instrumentalklänge; auch heute noch wird bei der Programmierung
der meisten Synthesizerklänge ein instrumentaler Rückhalt gesucht.
Trautwein erkannte genau, daß das Dazwischenschalten von mehreren
Schaltelementen und Steuereinheiten eine größere Variabilität
des Klanges ermöglichte; er erwähnte jedoch nicht, daß
durch eine Vergrößerung der Einflußnahme die Entfremdung
zum klangerzeugenden Teil sich vergrößert, da der Lautsprecher
als einzig "klingendes Element" nur von den beeinflußbaren Steuerströmen
in Schwingungen versetzt werden kann. Diesen eigentlichen Klangerzeugern,
den Lautsprechern, maß Trautwein eine große Bedeutung zu. Seine
Argumentation geht nicht nur von den rein meßbaren Daten aus, sondern
stützt sich immer wieder auf die hörbaren Empfindungen, die die
neuerzeugten Klang-ereignisse auslösten; bei ihm wurde viel mit dem
Ohr experimentiert, hörend verglichen und damit genau jenes Organ
herangezogen, das für die Aufnahme der neuen Klänge verantwortlich
ist. Bei seinen Experimenten zur Klangfarbenemp-findung bemerkte Trautwein
einen Zusammenhang zwischen der Frequenz einer bestimmten Tonhöhe
und dem Klangeindruck: "Die Formantfrequenz, welche bisher feststand,...
wird jetzt kontinuierlich... verschoben. Sofort hört das Ohr deutlich
die Formantfrequenz und verfolgt ihre Änderung. Sobald die Änderung
aufhört, setzt wieder die Klangfarbenempfindung ein, die dem nunmehr
feststehenden Formanten entspricht. Dieser Versuch deutet darauf hin, daß
die Klangfarbenempfindung eine unbewußte Frequenzempfindung ist.
Das Bewußtsein der Frequenzempfindung tritt sofort ein, wie die Formantfrequenz
sich ändert, wie also der klangfärbende Reiz Bewegung annimmt"
(Elektrische Musik, S. 22.). Wenn Trautwein von einer Klangfarbenempfindung
als unbewußter Frequenzempfindung spricht, einen Zusammenhang zwischen
Frequenz, dem Parameter der Tonhöhe und dem Klang überhaupt herstellt,
dann ist hier zum ersten Mal das vorformuliert, was Stockhausen etwas mehr
als zwanzig Jahre später zu seiner Impulstheorie veranlaßte,
der Theorie, in der die musikalischen Parameter Höhe, Stärke
und Farbe auf einen gemeinsamen Grundnenner zurückzuführen sind.
Neben der Klangbildung lag Trautweins Schwerpunkt auf der Schaffung
einer völlig neuartigen Spielweise: Keine Tastatur, sondern ein Manual
mit einer Saite, welche alle Möglichkeiten zu künstlerischem
Spiel bietet, aber dem reproduzierenden Künstler alle nicht unbedingt
nötigen mechanischen Funktionen abnimmt. Die spieltechnische Konstruktion
seines Instrumentes sollte einen möglichst hohen Grad der Vollkommenheit
erreichen. Dies sah Trautwein gerade unter musikalischen Gesichtspunkten.
Bei der Fülle der physikalischen und technischen Möglichkeiten
kam es ihm auf eine praktikable Spielbarkeit an, wobei er nicht an die
Einführung einer völlig neuen Spieltechnik dachte, sondern von
den traditionellen Klangerzeugern zu übernehmen versuchte, was ihm
für seine Klangerzeugungszwecke am geeignetsten erschien. Seine Überlegungen
liefen schließlich auf einen Kompromiß zwischen der Spielart
eines Saiten- und Tasteninstrumentes hinaus: Die Tongestaltung beim Saiteninstrument
bietet den Vorteil der Erzeugung von Mikrointervallen, die seiner Forderung
nach einem "Allton-Instrument" entgegenkam. Die Schwäche hierbei aber
ist die nach der Höhe hin enger werdende Tonverteilung, eine spieltechnische
Schwierigkeit. Die Tasteninstrumente bieten dagegen den Vorteil, "die gesamte
Tonformung, also Tonhöhe, Lautstärke und vielleicht auch Klangfarbe,
den Fingern zuzuweisen" (Elektrische Musik, S. 25.). Da der Nachteil einer
Tastatur jedoch in der relativen Festlegung der Tonskala bestand, die eine
mikrointervallische Tongebung nicht zuließ, wäre das Instrument
wieder auf ein bestimmtes Tonleitersystem festgelegt worden, ein Umstand,
der für Trautwein nicht in Betracht kam: "Ein vollkommenes Musikinstrument
muß vielmehr eine solche Festlegung vermeiden, am besten dadurch,
daß es sich nach Belieben jedem musikalischen Tonsystem anpassen
kann" (Elektrische Musik, S. 26.). Auch eine Dynamiksteuerung durch eine
Blasvorrichtung zog Trautwein in Erwägung. Eine endgültige Entscheidung
sollte erst dann getroffen werden, nachdem sich mehrere Künstler mit
den verschiedenen Techniken auseinandergesetzt hatten. Das schließlich
konstruierte und patentrechtlich angemeldete "Bandmanual" bestand aus einer
gespannten Saite, die einen Widerstand darstellt, der sich je nachdem,
an welcher Stelle man die Saite niederdrückt, ändert und so die
Tonhöhe beeinflußt. Über dieser Saite sind auf einer verschiebbaren
Leiste eine Reihe von Hebeln befestigt, die als Anhaltspunkt für die
Tonhöhe dienen: "Die Markierung [damit sind die Hebel gemeint] kann
so eingerichtet sein, daß sie bei etwaigem Übergang auf ein
anderes Tonsystem ausgewechselt werden kann" (Ebenda.). Durch entsprechenden
Fingerdruck konnte die Tonstärke beeinflußt werden, und durch
ein vertikales Verschieben der Saite war die Klangfarbenmanipulation möglich.
Trautwein bezeichnete dies als eine "dreidimensionale musikalische Tonerzeugung"
bzw. als "dreidimensionales Spiel" (Elektrische Musik, S. 36.). Als weitergehende
Entwicklung schlug er auch eine walzenartige Manualform vor, die wie ein
Fagott frei gehalten oder auf ein Stativ gestellt werden konnte (Siehe
ebenda S. 27f.).
Da die bisherige Instrumentenkonzeption nur ein einstimmiges Spiel vorsah,
machte sich Trautwein auch Gedanken über die Konstruktion eines Manuals
zum mehrstimmigen Spiel. Dies sah er "dadurch ermöglicht, daß
man mehrere Spielmanuale nebeneinander legt. Infolge der sehr vereinfachten
Spieltechnik ist es nicht schwer, ähnlich wie bei den Doppelgriffen
der Saiteninstrumente zu spielen" (Ebenda, S. 35.). Dieses Prinzip wurde
von Trautwein - genau so wie die Klangfarbenänderung durch eine vertikale
Saitenbeeinflussung - nicht weiter verfolgt. Lediglich am Schluß
seiner "Elektrischen Musik" findet sich die Bemerkung, daß die Einstellung
der Klangfarbe durch registerartige Schalter (wie bei der Orgel) und eine
Beeinflussung durch ein angeschlossenes Pedal erfolgen sollte.
In seiner "Elektrischen Musik" hat Trautwein zu seiner Theorie und praktischen
Umsetzung spezielle und allgemeine Gedanken geäußert, die heute
noch für den Bereich der elektrischen Instrumente Gültigkeit
besitzen und das Trautonium als einen wichtigen Vorläufer des heutigen
Synthesizers erkennen lassen. Wie der "Techniker" in seinem Artikel über
"Elektricität und Musik" 1888 prophezeite, sah auch Trautwein seine
Bemühungen selbstverständlich in der Schaffung völlig neuer
Klangwelten: "Wenn ein elektrisches Musikinstrument nicht wertvollere und
neuartige Klangwirkungen ergibt, so wird es gegenüber den akustischen
Instrumenten kaum eine Daseinsberechtigung gewinnen" (Elektrische Musik,
S. 7f.).
Die erste öffentliche Vorführung des Apparates bei der "Neuen
Musik Berlin 1930" am Freitag dem 20. Juni, begann mit einem Vortrag von
Trautwein über "Technische Grundlagen elektrischer Musikinstrumente"
(Siehe den Jahresbericht der Staatlichen Akademischen Hochschule für
Musik in Berlin vom 1. Oktober 1929 - 30. September 1930 hg. v. Franz Schreker
und Georg Schünemann, Berlin o.J., S. 93.). Laut Programm folgten
Originalkompositionen für elektrische Instrumente von verschiedenen
Komponisten; als Instrumente werden die "Systeme Trautwein und Siemens"
angegeben. (Die Lautsprecher waren von der "Weltfirma" Siemens zur Verfügung
gestellt worden.) Es wurden Kompositionen von Paul Hindemith aufgeführt,
als Ausführende werden Hindemith, Oskar Sala und Rudolph Schmidt erwähnt.
Richard H. Stein berichtet über dieses Ereignis: "Er [Trautwein] hat,
mit wenigen Ausnahmen keine gute Presse gehabt, weil sein Apparat, der
einem großen Rundfunkempfänger ähnlich ist, noch allzu
viele Schwächen zeigt, zum Teil die gleichen wie Theremins 'Ätherwellen'-Instrument:
Ungenaue Fixierung der Tonhöhe; keine schnellen Tonfolgen; keine komplizierte
Rhythmik; Notwendigkeit, für ein dreistimmiges Musikstückchen
drei Apparaturen und drei Spieler zu verwenden usw. Aber die Trautweinsche
Apparatur läßt sich vervollkommnen... Wir wollen abwarten, bis
Jörg Mager zu einem abschließenden Ergebnis seiner langjährigen
Studien und praktischen Arbeiten gekommen ist. Dann erst wird man das Problem
der elektrischen Musik in seinem ganzen Umfange erörtern können"
(Richard H. Stein, Elektrische Musik, in: Die Musik, 1930, Heft 11, S.
861.). Nun wurden aber Jörg Magers Konstruktionen von den Komponisten
überhaupt nicht beachtet, während Trautweins Instrument, nachdem
es ausgereift war, nachhaltiger Beliebtheit sich erfreute und von einigen
Komponisten, allen voran Paul Hindemith, eifrig mit Kompositionen bedacht
wurde. Oskar Sala, der als Hindemith-Schüler eng mit der Erprobung
und auch Weiterentwicklung des Trautoniums vertraut war und bis heute sein
einziger Spieler ist, gab in mehreren sehr aufschlußreichen Gesprächen
mit dem Autor über die Geschichte des Instruments und über bisher
noch nicht bekannte Tatsachen Auskunft. Sala, der in den dreißiger
Jahren das Trautonium mehrfach erweiterte und nach dem Zweiten Weltkrieg
rekonstruierte und zum "Mixturtrautonium" ausbaute, spielte auch auf einer
Schallplatte jene Stücke ein, mit denen 1930 das Instrument zum ersten
Mal erklang: "Die vorliegende Plattenaufnahme der Triostücke entstand
1977 durch Oskar Sala an seinem (Mixtur-) Trautonium im Playbackverfahren
in seinem elektronischen Studio in Berlin. Hindemiths Oberstimme erklingt
in der Raummitte, Salas damalige Mittelstimme auf der linken und die Baßstimme
Rudolph Schmidts auf der rechten Raumseite" (So Oskar Salas eigener Text
zu Plattenaufnahme von Telefunken (6.42529 AW), die noch Hindemiths Konzertstück
für Trautonium mit Begleitung des Streichorchesters aus dem Jahre
1931 enthält.). Sala berichtet in diesem Zusammenhang auch von der
Uraufführung dieser Stücke: "Trautwein hatte eine umfangreiche
Verstärkeranlage aufgebaut, so daß erhebliche dynamische Unterschiede
bewältigt werden konnten. Lautsprecher oben in der Saalmitte waren
als Fernwerk in den Trios Nr. 2 und 7 vorgesehen. In diesen beiden Stücken
gab es auch noch gleitende Klangfarbenwechsel. Prüfstein für
Instrumente und Spieler war Trio Nr. 6, lebhaft, virtuos und heikel in
der Intonation. Jeder Spieler bekam darin auch noch seine Kadenz. Oskar
Sala hatte sich dafür einen Spezialeffekt ausgedacht, den Hindemith
auch sogleich mit einer symbolischen Notation konzedierte" (Ebenda.). Diese
"gleitenden Klangfarbenveränderungen" sind sehr gut nachzuvollziehen
und somit wird heute, wenn auch erst fünfzig Jahre später, authentisch
hörbar, wie das Trautonium seine von Trautwein theoretisch geforderten
Klangfarbenveränderungen praktisch eingelöst hat.
In den schon erwähnten Interviews berichtet Sala ausführlich
über die Entstehungszeit des Instrumentes. Aus seinen Ausführungen
wird ersichtlich, wie und warum sich das Instrument als einziger elektrischer
Klangerzeuger in Deutschland durchsetzen konnte und weswegen sich Hindemith
eher für das Trautonium als für die Magerschen Erfindungen interessierte:
"Uns wurde das Trautonium im Urzustand angeboten. Das bestand aus einem
Kasten mit einer Schwingröhre und einem dünnen Draht. Dann wollten
wir etwas spielen, was bis dahin noch nicht möglich war. Also fingen
wir an zu knobeln. Der, der am Instrument sitzt, ist natürlich als
erster gefragt. Da bin ich also ganz zufällig reingeschlittert...
Das besondere hieran [an der Spieltechnik] ist, daß man auf einer
Saite spielt, allerdings in bequemer Spielhaltung. Es ist so gesehen eine
Art Violine. Die Hebel über der Saite sind Anhaltspunkte. Aber man
braucht sich nicht daran zu halten. Diese Technik war eine geniale Erfindung
von Trautwein. Paul Hindemith war sofort davon angetan... Keine Klaviatur,
sondern eine Saite, das hat ihn als Streicher natürlich sofort interessiert".
Dennoch kam es zu keiner Serienfertigung wie Oskar Sala berichtet: "Als
Trautweins Erfindung ausgereift war und auch Telefunken Interesse zeigte,
schrieben wir das Jahr 1933, und der große Umbruch kam. Da wurde
alles zugunsten anderer Zwecke zurückgestellt. Telefunken durfte nicht
weiter daran arbeiten. Da war ich nachher übrig. Der Rundfunk stieg
noch ein, aber ich blieb eben als einziger auf der Strecke". Die Rundfunkgesellschaften
interessierten nur deshalb sich für dieses Instrument, weil Trautwein
wegen des Widerstandes gegen elektrische Klangerzeuger von oberster Stelle,
über seinen Nachbarn, den damaligen Finanzminister, eine Vorführung
bei Goebbels arrangieren konnte: "So zogen wir mit dem Instrument dahin,
und dem Propagandaminister gefiel die Sache. Er hat den Widerstand an der
Hochschule zwar nicht brechen können, hat aber eines erreicht: Die
Herren von der Reichsrundfunkgesellschaft haben sich dafür interessiert.
Von da an war die Sache gesichert... Die Resonanz darauf war hervorragend.
Danach folgten ein paar Auslandsreisen, und schließlich kam die Zeit,
wo dann überhaupt nichts mehr ging. Der Krieg!". Als einzige Exemplare
wurden 1935 von der Telefunken AG ein zweimanualiges Rundfunktrautonium
und ein Konzerttrautonium gebaut. Das Rundfunktrautonium wurde in vielen
Musik- und Hörspielsendungen eingesetzt, während Harald Genzmer
1938/39 sein erstes Trautoniumkonzert für das Rundfunktrautonium schrieb.
Im Gegensatz zu Vierlings und Magers Instrumentenkonstruktionen, haben
wenigstens zwei Trautonien den Krieg überstanden, wobei das Rundfunktrautonium
heute nur noch als Museumsstück existiert. Oskar Sala berichtet weiter:
"Das Konzerttrautonium der Philharmonie hat den Krieg überlebt. Es
stand bei mir auf dem Dachboden. Da kamen Schrottdiebe und haben es ausgeplündert.
Es waren nur ein paar Meter Kabel und Röhren, aber damals waren ja
alle verrückt. So existiert es nur noch als fast leeres Gehäuse".
Aus diesem leeren Gehäuse entwickelte Sala dann sein Mixturtrautonium;
Ersatzteile aus den dreißiger Jahren hatte er genug gehortet ("Manche
Teile sind absolut nicht mehr erhältlich, aber ich bin bis an mein
Lebensende eingedeckt"). Dieses zweimanualige Instrument gestattet gegenüber
der einstimmigen "Urversion" die Erzeugung von subharmonischen Tonreihen,
dem genauen Spiegelbild der gewöhnlichen Obertonreihe, die als Mixturen
zu dem jeweils gespielten Ton erklingen können. Sie werden über
Drehknöpfe und Schalter gefiltert und über die Betätigung
eines Pedals in ihrer Lage verändert, so daß eine Vielzahl an
Akkord- und Klangmischungen erzeugbar sind. Die Eingliederung verschiedener
Effektgeräte - einen Rauschgenerator, Abkling und Hallgerät -
ermöglicht eine umfangreiche Geräuscherzeugung. Da das Mixturtrautonium
nur als einmaliges Exemplar existierte und sein Transport mit zunehmender
Lebensdauer zu risikoreich wurde, entschied sich Sala nur noch für
die Fortsetzung seiner in den sechziger Jahren begonnenen Filmmusikproduktion
in seinem eigenen Studio in Berlin. Seinen wohl berühmtesten Beitrag
lieferte er zu Alfred Hitchcocks "Die Vögel": "Ein alter Bekannter,
der nach Amerika gegangen war, traf die Hitchcock-Leute, die nach einer
Musik bzw. Geräuschen für 'Die Vögel' suchten. So schickte
man mir eine Szene zu, wo die Vögel über das Haus herfallen und
die Melanie auf dem Dachboden fast getötet, aber noch gerettet wird.
Wir haben die Geräusche dazu gemacht und zurückgeschickt. Vierzehn
Tage später hieß es: 'Der ganze Film kommt'". - "Dadurch [durch
die zahlreichen und umfangreichen Filmmusiken] ist die Konzertseite natürlich
unterbrochen. Wer macht es denn? Wer spielt heute noch ein elektrisches
Instrument mit Philharmonischen Orchestern? Niemand mehr! Es wird sehr
lange dauern, bis mal wieder jemand ein Genzmer-Konzert nachspielt. Man
muß ja auch sehen, wie man mit der Technik zurechtkommt".
Ende der achtziger Jahre wurde ein Neubau des Mixturtrautoniums auf
mikroelektronischer Basis geplant: "Nun wird es, so hoffe ich jedenfalls,
bald ein neues Mixturtrautonium geben. Es soll gebaut werden von einigen
Professoren der Deutschen Bundespost! Die wissen mit der Micro-Elektronik
und Computern bestens Bescheid. Sie haben sich dafür interessiert
und wollen es nun auf die modernste Technik umstellen. Das Problem ist
aber nicht einfach zu lösen. Die elektronische Seite,... die löst
sich heutzutage fabelhaft. Dagegen ist alles, was den Spieler betrifft,
Pedale, Manuale etc. schwierig, weil es nicht einfach ist, die mechanische
Lösung, die ich speziell hierfür entwickelt habe, elektronisch
nachzuempfinden... Der Witz des ganzen ist, daß die spezielle Spieltechnik,
die dem Trautonium eigen ist, nicht verlorengeht. Es soll nicht weniger
als ein Synthesizer werden. Wenn sie so wollen, dann ist es ein Synthesizer".
Über die Arbeit an dem inzwischen existierenden "neuen Instrument"
berichtet Sala weiter: "... was jetzt passiert, ist der Versuch, das Trautonium
gegen die Synthesizer durchzusetzen. Diese Technik würde dann nicht
mit mir untergehen, was bisher wahrscheinlich war... Wenn man junge Leute
dafür interessieren kann, dann könnte ich mir vorstellen, daß
es in 10 Jahren Bands gibt, die damit arbeiten. Das Trautonium hat etwas,
was die heutigen Synthesizer nicht haben: Ausdrucksfähigkeit und die
Möglichkeit, jeden Zwischenton zu spielen! Dabei entstehen Melodien,
die sonst nicht möglich sind. Die Saite verleiht eben eine spezielle
Spieltechnik". Es ist absolut kein falscher Historismus, das Mixturtrautonium
- schon allein wegen dieses einmaligen Spielprinzips - auf elektronischer
Basis neu gebaut zu haben; als einziger elektrischer Klangerzeuger aus
der Anfangszeit dieser Instrumente kann mit fast sechzig Jahren Verspätung
endlich serienreif produziert werden.
(Fortsetzung und letzter Teil im nächsten
ZeM Mitteilungsheft)
1. Teil: Die Prophezeiung eines
"Technikers" - ZeM
Nr. 4 (I/1991)
2. Teil: Das elektrisch manipulierte
Klavier - ZeM
Nr. 6 (1/1992)
3. Teil: Der elektrisch erzeugte
Klang - ZeM
Nr. 10 (März 1993)
4. Teil: Musik aus Luft - ZeM
Nr. 11 (Juni 1993)
5. Teil: Sphärenklänge
- ZeM Nr. 14
(April 1994)
6. Teil: Saitenspiele (1)
- ZeM Nr. 15
(September 1994)
6. Teil: Saitenspiele (2)
- ZeM Nr. 16
(Januar 1995)
↑
Jens Bendig
Offener Kanal Bremen
Ich produzierte im Offenen Kanal Bremen eine Radiosendung mit dem Titel
"Homerecording". Diese Sendung wurde einmal im Monat, an einem Dienstag
um 14.05 Uhr auf der UKW-Frequenz 107.1 MHz ausgestrahlt. Thema dieser
Sendung waren Aufnahmen, die von Freaks und Tüftlern in Heimarbeit
mit Tonbändern, Computern, Synthesizern etc. hergestellt werden. Diese
Aufnahmen finden in der Regel kein Publikum, weil sie nicht in kommerzieller
Absicht vervielfältigt und verkauft werden. Sie führen ein Schattendasein
in Hobby-Kellern.
Das war nun vorbei. Jeder, der möchte, konnte im Rahmen meiner
Sendung seine schönsten oder ausgefallensten Aufnahmen vorstellen.
Aber: Die Aufnahmen durften nicht auf einer CD erschienen sein. Die Rechte
an den Aufnahmen sollten ausschließlich bei den Einsendern liegen.
Besonders rufe ich hiermit NOCHMALS alle ZeM-Indianer auf, wenigstens ein
kleines Rauchzeichen zu geben. Warum verkriechen sich meine Brüder
in den Wigwams wie alte Wasch-Squaws?
Hier die Termine:
2. Sendung : 31. Mai
3. Sendung : 15. Juni
4. Sendung : 13. Juli
5. Sendung : 10. August
6. Sendung : 7. September
Mit der 6. Sendung endete mein vorliegendes Material. Damit "Homerecording"
weiterhin auf Sendung gehen kann, brauche ich mehr Beiträge. Meldet
Euch bei mir:
Jens Bendig
Danziger Straße 13
28790 Schwanewede
Tel. 04209 / 69967
Trotz der manchmal schwierigen Zusammenarbeit mit dem Offenen Kanal
Bremen, fordere ich auch auf: Beteiligt Euch am offenen Radiogeschehen
durch die Einsendung eigener Beiträge!
↑
Paul Gross
Die Sehnsucht nach einer ganz anderen Musik
Betrachtungen eines Nichtelektronikers - Klaus Weinhold zum sechzigsten Geburtstag
Meine ersten Erfahrungen mit elektronischer Musik sind Hörerfahrungen
in der Schule: Eimert und Stockhausen in den 60er Jahren. Dann genießendes
Erstaunen über Moog's Synthesizerspielereien. Am Ende meines Schulmusikreferendariats
eine Projektwoche in elektronischem Basteln, Schüler begleitend. Zum
ersten Mal die Berührschwelle überschreitend. Dennoch bis heute
nur wahrnehmend, Vorabendgefühle im Umgang mit dem elektronischen
Medium. Ich hoffe auf den ersten wirklichen heilsamen Praxisschock, der
die folgenden Betrachtungen "vom Kopf auf die Füße stellt".
-
Faszinierende, unbeschreibliche Hörerlebnisse bei den Sound-Ausstellungen
in der Freiburger Pädagogischen Hochschule allein hätten es nicht
vermocht, mir diese "MUSIK"-Kultur bleibend einzuwurzeln, wären da
nicht die persönlichen Hinführungen durch Klaus Weinhold gewesen!
Er versuchte, mir begreiflich zu machen, analog zu Strawinskys kompositorischem
"Ordnen der Töne" vom "Ordnen der SOUNDS" als kompositorischem Prozeßgeschehen
zu reden. Wer geistlos nur Sounds produziert, nur Material zeigen kann,
Wesentliches vom Unwesentlichen nicht unterscheiden kann, komponiert nicht,
schafft keine andere Musik. Klaus Weinhold will - in unzähligen Anläufen,
fast beschwörend - eine Kontinuität mit der uns überkommenen
Musikkultur formulieren, deutlich machen, den Schleier lüften, wie
Komponieren schon immer gelingt: Elektronische Musik, nicht elektronischer
Fuhrpark für Klischee und Hülse.
- Kann es eine ganz andere Musik geben, wenn das Ausgangsmaterial ein
auf dem freien Markt vorgefertigtes, begrenztes, allgemein erhältliches
Produkt ist? Genauer: wenn ich "meine" Soundentwicklung einem begrenzten
Soundvorrat eines alltäglichen Produkts verdanke: Synclavier der Marke
X, Synthesizer Y dieses Jahrgangs?
Entlastung bringt mir die Vorstellung, daß mein Flügel der
Marke Y oder mein Cembalo Z ja auch nicht von mir hergestellt ist, wenn
ich Klänge produziere. Aber was für Klänge? Ich kann Tonhöhen
akkordisch oder sukzessiv aneinanderreihen, mit artikulatorischen Finessen
versehen, das Pedal aussparen oder einbeziehen, ich kann das Klavier "präparieren"
und mich über so viele Möglichkeiten glücklich zurücklehnen.
Vereinfacht gesagt, ich akzeptiere das Produkt Klavier für meine konservative
traditionelle Kompositionsweise: Ich komponiere das Komponierte; welche
Sonate will ich nach Beethoven komponieren, die von Hindemith oder von Berg?
- Ich komponiere das Alte, Herkömmliche und nenne mich Avantgarde-Musiker,
weil ich im 20. Jahrhundert lebe und klassische Formen technisch bewältige.
Vor kurzem fiel mir ein u.a. von der GEMA-Stiftung gefördertes Verzeichnis
zeitgenössischer symphonischer Werke, betitelt mit "Süddeutsche
Komponisten im 20. Jahrhundert", in die Hände. Fein säuberlich
werden die wichtigsten Klassiker (ein Werk der letzten Seite heißt
"Denk ich an Haydn"!) unserer Zeit in unserem Raum aufgelistet. GEMA-Musik
ist das Reizwort, anerkannt, bewährt, tüchtig und geehrt! Schnee
von gestern in ängstlich-epigonalem Gewande. Sicher etwas überspitzt,
denn auch elektronische Klänge sind da, doch immer als Accessoire:
36 Musiker und ... etwas Elektronik, Sicherheit und ein bißchen Ausblick,
aber nichts Neues unter der Sonne. Ob dieser Zwitterzustand der gegenwärtigen
Musikkultur bleibender Ausdruck unserer Zeit werden kann? Ich denke an
die vielen Müllhalden, die der Beseitigung harren, aber noch da sind, weil über die Abfallbeseitigungsmethode noch nicht entschieden ist.
- Meine Sehnsucht nach einer ganz anderen Musik mag als Desiderat eines
erwachten romantischen Bewußtseins abgetan werden: Ich denke mir
eine Musik, die ein Medium unserer Zeit aufgreifend - vielleicht das elektronische
- wirklich Neues schafft: Ob Fraktale - evolutive Evolutionen - ein Anfang
sind, vielleicht fraktale Musik zu generieren? Damit wäre ich aber
bereits in den Niederungen, meine Sehnsucht konkretisierend einzugrenzen,
wo ich doch den freien Lauf, die noch nicht gestillte Weite denkbarer Musik
retten möchte. Werden uns neue Formen zufliegen, die nicht den Hegelschen
Dreischritt atmen? Musikgewordene Bilder? Bildgewordene Musik? Als naturidentischer,
gesampelter Klangrausch?
- Wenn elektronische Klanginstallation präsentiert wird, dann mit
welchem Ambiente? Werkstattcharakter? Welche Lautsprecherqualität
wird meinem Ohr zugemutet? Die Ästhetik der elektronischen Darbietung
kann ausgeblendet werden: Welche Klänge nisten sich in meinem Ohr
ein? Lautsprechermarke A oder eher B, ist das egal? Hätte ich diese
Box zur Verfügung, wäre das klangliche Ergebnis so oder vielleicht
anders? Wenn die Sounds da sind, sind es bestenfalls Kopfhörersounds?
Sind sie in ihrer optimalen Wiedergabe nur denkbar?
- Was elektronische Musik nicht ist: Pop-, Rock-, Folk-, Jazz-Elektronik.
Es mag genügend Liebhaber geben, die ihre Sounds nicht komponieren
können, die schon Zufriedenheit ausstrahlen, wenn ihre Elektronik-Häppchen
irgendwelchen Zeitgenossen zur Meditation verhelfen, vielleicht gar finanziell
etwas abwerfen, vermarktungsfähig werden plötzlich Massencharakter
bekommen. Dann, dann ist das Ende bereits eingeläutet. Musik entzieht
sich immer dem Zugriff der Massen, das ist ihr erstes wichtigstes Kriterium:
Sie ist kein Massenprodukt, sie kann nur mit Mühe von wenigen erfaßt,
gefühlt und begriffen werden. Sie ist nicht mit Händen zu greifen,
sie berührt - wie die Liebe!
- Die Möglichkeiten elektronischer Musik seien erschöpft, hieß
es bereits vor Jahren. Ich empfinde, daß die Möglichkeiten herkömmlichen
Umgangs nur ein Moment darstellten. Wir sind auf der Suche, wir stehen
vor neuen hoffnungsvollen Gangarten, wir tasten uns, Abgründe wähnend,
im Dunklen tappend, durch einen Dschungel. Ob uns die Luft ausgeht bei
solch klimatischer Verunsicherung? Gibt es solche "Gefäße",
die die Belastung auf sich nehmen können und die vor allem die Begabung
mitbringen, den Sehnsuchtsweg beschreiten zu können?
Fragen über Fragen! Ich ziehe mich in mein "Poetenstübchen"
zurück und wage mich staunend wieder heraus, wenn die Luft rein ist,
wenn ich neue Töne fühle.
Sie lieber Herr Weinhold, haben die neue Atmosphäre wohl schon
geschnuppert, vielleicht haben Sie das neue Land auch schon betreten. Wir
werden hören, was Sie dort entdeckt haben!
[Dieser Artikl ist der ZeM Sonerausgabe, Juni 1994 zum 60. Geburtstag von Klaus Weinhold entnommen]
↑
Franz Martin Löhle
Fünf Jahre Zentrum für Elektronische Musik,
Freiburg - ein Rückblick
"Kinder wie die Zeit vergeht ..." oder "... doch ganz schön viel
geschehen, die Jahre über" ... als Anfang eines Berichtes über
fünf Jahre ZeM e.V. Freiburg stünde dem Thema sicher gut.
Als Gründungsmitglied und seither im Vorstand habe ich doch das
meiste mitbekommen, und dies ist nach eingehender Recherche, ohne parteiisch
zu sein, nicht wenig. Trotzdem möchte und kann ich nicht jedes Detail
- obwohl als Historiker für mich sehr reizvoll - wiedergeben.
Vielmehr werde ich die wichtigsten Dinge aufführen und einige
z.T. sicher schon vergessene Vorgänge der Anfangszeit darlegen.
ZeM Freiburg wurde am 29. November 1989 gegründet und kurz darauf
in das Vereinsregister eingetragen. Trotzdem soll darüber nicht vergessen
werden, daß Elektronische Musik außer der offiziellen (SWF-Studio,
MHS) durch Herrn Weinhold schon seit 1982 für die Öffentlichkeit
durch ständige Veranstaltungen i.d.R. an der Pädagogischen Hochschule
Freiburg, bei denen sich ab und zu auch seine Studenten beteiligten, gepflegt
wurde.
Ein paar dieser Studenten und einige regelmäßige Zuhörer
dieser Veranstaltungen trafen sich gelegentlich und fast immer nach den
Veranstaltungen bei Frau Schneider zum weiteren Gedankenaustausch. Hier
wurde die Idee geboren, diese Arbeit zu institutionalisieren, was in Deutschland
als einfachste Art i.d.R. der eingetragene Verein darstellt.
Parallel hierzu gab es einen erweiterten Kreis, der sich seit Mitte
1989 regelmäßig zu einem "Elektroniker"-Stammtisch - gemeint
sind hier Produzenten Elektronischer Musik - traf, der einer Vereinsgründung
ebenso nicht abgeneigt war, und eine solche inoffizielle schon Ende Oktober
durchführte.
Das letzte Workshop- und Konzert-Wochenende mit Elektronischer Musik
ohne "... in Verbindung mit ZeM e.V." fand am 24.-26. November 1989 unter
dem Titel: "Computermusik - Elektronische Klänge aus dem Mikrokosmos"
statt. Auf dem Plakat dieser Veranstaltung stehen außer Klaus Weinhold
jedoch schon Namen späterer ZeM-Mitglieder, ebenso auf dem Plakat
der Veranstaltung am 5.-7. Mai 1989 unter dem Titel "Garten der Sounds
- Elektronische Klangbilder".
Am Ende der November-Veranstaltung, am Sonntag-Abend, den 26. gegen
18 Uhr wurden alle anwesenden Personen von Klaus Weinhold noch zu einer
kurzen Besprechung eingeladen, zwecks Gründung eines Vereines zu bleiben.
Hier wurde der Termin für die Vereinsgründung auf Mittwoch, den
29. November, 19.30 Uhr festgelegt. So wurde auch der letzte Mittwoch im
Monat, wie schon bei dem "Elektronik-Stammtisch", zum bis heute andauernden
Mitgliedertrefftermin.
Die Gründung konnte an diesem Abend natürlich nur deshalb
so einfach zustande kommen, weil der dort gewählte Vorstand (Klaus
Weinhold, Dr. Walter Birg, Gerda Schneider und Franz Martin Löhle)
sich die Wochen vorher über das Vereinsgründungsverfahren eingehend
informiert hat. So lagen eine fertige Satzung und Formulare für das
Gründungsprotokoll vor. Die Satzung wurde dann nur noch zweimal, am
17. Januar und am 23. Mai 1990 geändert. Weitere Gründungsmitglieder
waren: H. Arnolds, M. Frings, R. Hennemann, Th. A. Hertle, F. Janus, P.
Kiethe, R. Fiedler und J. Stange-Elbe. Als Vereinsziele wurden in der Satzung
festgelegt:
"Zweck des Vereins ist die Förderung der elektronischen Musik
(kulturelle Zwecke). Der Satzungszweck wird verwirklicht insbesondere durch
Konzertveranstaltungen, Workshops und die Herausgabe einer Fachzeitschrift.
Ferner will er Interesse für die elektronische Musik wecken und Informationen
darüber vermitteln."
Als nächstes stand die offizielle Eintragung des Vereines in das
Vereinsregister an. Dieser wurde am 29. Dezember 1989 stattgeben.
Das "Zentrum für Elektronische Musik" - Bezeichnung nach einer
Idee von Walter Birg - durfte nun das "e. V." tragen.
Ein Emblem (s. Titelseite) gab es zunächst nicht und war auch nicht
vorgesehen. Jedoch wurde von Anfang an ein Mitteilungsblatt
herausgegeben (-> ein Vereinsziel): 1. Ausgabe Nov./Dez. 1989. Hierfür
wurde ein Titelkopf benötigt, der von Michael Frings nach einer Vorlage
von Thomas A. Hertle entworfen wurde. Dieses ZEM-Emblem wurde dadurch
automatisch zum Vereinsemblem: "Das schräggestellte kleine 'e' symbolisiert
die 'etwas andere Musik', für die sich ZEM einsetzt. Darunter, die
graphische Darstellung des gesampleten Wortes 'Zem', dessen drei Buchstaben
deutlich zu erkennen sind." (ZeM MT 1, 11/89). Der Vollständigkeit
halber soll hier noch erwähnt werden, daß das Sample selbst
aus dem Munde des Autors stammte. Die Idee, hierfür ein Sample und
keine fiktive Wellenform zu nehmen, stammt von Klaus Weinhold.
Ende 1990 wurde dann endgültig dazu übergegangenen 'ZeM'
mit kleinem 'e' zu schreiben, um dem Emblem (dieses war inzwischen auch
verfeinert worden) eher zu entsprechen und Verwechslungen mit ZEN zu vermeiden.
'Elektronisch' sollte jedoch weiterhin groß geschrieben werden.
Soweit nun zu der formellen Historie, die es nur noch um das ZeM-Gelb
zu ergänzen gilt. Dieses hatte sich nämlich durch die Plakatfarbe,
die Klaus Weinhold schon bei seinen früheren Veranstaltungen benutzt
hatte, eingebürgert: Erstes farbiges Mitteilungsblatt (Nr. 3) in Gelb,
Plakate und Prospekte in Gelb und sogar die Prospekte des späteren
ZeM College in Gelb. Zur Fünf-Jahres-Feier wurde nun zum ersten Mal
diese Tradition mit ZeM-Hellblau gebrochen.
Das erste Jahr war ein Jahr des Aufbaus, primär bedingt durch Mitgliederzuwachs.
So gab es im Janaur 1990: 12 aktive Mitglieder, Ende des Jahres: 20. Weiter
wurde in diesem Jahr die Grundstruktur und das organisatorische Selbstverständnis
des Vereins geschaffen, das bis heute seine Gültigkeit hat. Dies waren
und sind:
-
die ZeM-Wochenenden an der
PH-Freiburg, wie erwähnt schon Jahre vorher von K. Weinhold initiiert,
seit 1991 auch in der Steinhalle Emmendingen durch Förderung des dortigen
Kulturvereins
-
die seit Vereinsgründung ohne Unterbrechung monatlich stattfindenden
Mitgliedertreffen, z.T. mit Themenschwerpunkten oder Besichtigungen
-
die regelmäßige Herausgabe des Mitteilungsblattes zusammen mit
ZeM Bremen - zunächst im DIN-A4- ab 1993 im DIN-A5-Format als Mitteilungsheft
-
der rege persönlich-inhaltliche Austausch zwischen den Mitgliedern
-
sonst. Aktivitäten wie z. B. Klausurwochende, Besuch im ZKM, beim
Fachhandel, MHS, ZeM Bremen, etc.
Apropos ZeM Bremen ... schon kurz nach der Gründung Anfang '90 wurde
bekannt, daß durch einen ehemaligen Studenten von K. Weinhold: Axel
Mehlem und dem Kursleiter von "Elektroakustische Klangsynthese mit Hilfe
von Computern" an der Bremer Hochschule: Erwin Koch-Raphael in Bremen ZeM
Bremen gegründet werden sollte. Am 24. April 1990 war es dann soweit
und ZeM Bremen, inzwischen Zentrum für elektroakustische Musik e.
V., wurde aus der Taufe gehoben. Doch darüber mehr im ZeM MT April
95 zur Fünf-Jahres-Feier von ZeM Bremen.
Am 6. 10 1990 fand in Bremen der Kulturkampf '90 statt, bei dem ZeM
Freiburg mit fünf Mitgliedern aktiv dabei war.
Den meisten Zuwachs an Mitgliedern bekam ZeM 1991, so daß sich
die Mitgliederzahl bis heute auf knapp 30 eingependelt hat.
In diesem Jahr kam, initiiert durch Rainer Fiedler und dem Autor, das
ZeM Archiv dazu, das inzwischen
eine reiche Auswahl an Tonträgern von ZeM-Mitgliedern, verschiedenster
Musiksoftware, Büchern und Zeitschriften aufweisen kann.
Auch wurde in diesem Jahr vom Autor und drei anderen Mitglieden (H.
G. Britz, H. Friedebach, F. Janus) der Wunsch wach, die Sache der elektronischen
Musik, deren Verbreitung und Förderung - Aufzeigen der Möglichkeiten
- stärker umzusetzen, als dies der Verein mit ehrenamtlicher Tätigkeit
kann. Es wurde nach mehreren Gesprächen mit der Vorstandschaft im
August 1991 das "ZeM College
- Institut für Elektronische Musik GbR" gegründet, das sich ZeM
e.V. eng verbunden sieht (ähnliches Logo), jedoch rechtlich unabhängig
ist. [s. hierzu auch den ZeM College Artikel
in dieser Ausgabe]
Der wichtigste Schritt für die Zukunft von ZeM e.V. war jedoch
die erste eigene Veranstaltung außerhalb der PH Freiburg in der Steinhalle
Emmendingen 7./8. September 1991, gefördert vom dortigen Kulturverein
und seitdem jährlich wiederholt.
Von 1992 bis heute wurden die Früchte dieser zwei Aufbaujahre
geerntet: ein regelmäßiges "Vereinsleben", das unsere Sache:
die Elektronische Musik, vielen Interessierten nahebringen konnte.
Eine Besonderheit war am 20./21. November 1993 ein Klausurwochenende
im Fachschaftshaus der Universität. Hier wurde über Elektronische
Musik ausführlich gesprochen und debattiert, was die Umgebung und
Zeit ermöglichte.
Zum Abschluß seien hier in loser Folge die Themen der Mitgliedertreffen
und eine Auflistung der ZeM-Wochenenden:
Mitgliedertreff-Themen:
D'Ts Tiger, M, Xpert4, Casio VZ, Yamaha V50, Gesang der Jünglinge
(Stockhausen), Stille und Schweigen (Frings), Musique concrete ib (Riedl),
Oskar Sala, Creator, Avalon, MicroWave SWS, Dr. T Composing Sequencer,
Apple Computer, D-50 Editor, Kompositionsverfahren (Kiethe), StarTrack,
Polyframe, Cubase Midi-Manager, Cubase IPS, Akustisch-visuelle Umsetzung
(Stange-Elbe/ Elbe), Tango, Notator Logic, Lexicon LXP5 + Editor, ZeM u.
Ars Electronica Videos, Geerdes midisystems, Korg 01R/W, Kawai K4 + Editor,
u.v.a.m., meist auch spontan vorgestellt.
Wochenendveranstaltungen
(Ort, wenn nicht anders angegeben, immer PH Freiburg):
5.-7. Mai 1989 Garten der Sounds
24.-26. November 1989 Computermusik, Workshops, u. a. Physik und Musik
31. März 1990 Konzert div. Produktionen
16./17. Juni 1990 E. M. ist andere Musik - Soundausstellung, Workshops,
Konzerte
24./25. November 1990 (Totensonntag) E. M. ist anders - Sektausschankt,
Videographik und Computermusik, Workshops
6./7. April 1991 Wochenend-Konzert
4./5. Mai 1991 E. M. ist anders - Workshops, Soundausstellung, Konzerte
- Computer-GraphikMusik-Großprojektion
7./8. September 1991 1. Konzert-Wochenende in der Steinhalle Emmendingen,
ZeM College-Vorführungen
23./24. November 1991 Computer-Musik ist anders ... - Workshops, Performance
4./5. April 1992 E. M. ist anders ... - Performance, Diskklavier
23./24. Mai 1992 Elektronische Computermusik ist anders ... - Klänge
aus der Mikrowelt
17./18. Oktober 1992 Elektronische Computermusik - Soundausstellung,
Performance in der Steinhalle Emmendingen
21./22. November 1992 Electronic Sounds - Soundausstellung und Performance
3./4. April 1993 Electronic Sounds - Soundausstellung und Performance
16./17. Oktober 1993 Electronic Sounds - Steinhalle Emmendingen
27./28. November 1993 Musik-Elektronik - Workshops, Vorführungen
9./10. April 1994 Vorträge, Vorführungen, Soundausstellung
Beim Betrachten dieses Rückblicks können wir uns, denke ich,
schon auf die nächsten fünf Jahre ZeM-Arbeit in Freiburg freuen
und hoffen, diese Jahre in ähnlicher Weise füllen zu können,
ganz im Sinne des Titels des ZeM-Mitteilungsheftes Nr. 11, 6/1993: "C'est
ZeM que j'aime!".
↑
Gerda Schneider
Bemerkungen zur Unmenschlichkeit der Elektronischen Musik
Immer wieder erregt die Charakterisierung der E.M. als "unmenschlich"
Anstoß, auch wenn begriffen worden ist, daß "unmenschlich"
hier nicht als negativer ethischer Begriff zu verstehen ist, sondern im
Sinne von "a-menschlich". Da der Begriff "unmenschlich" doppeldeutig ist
und nicht bei jeder Verwendung erst definiert werden kann, ist zu überlegen,
ob in Anlehnung an die Kunstauffassung von Norbert Bolz (1) nicht von "transhumanistisch"
gesprochen werden soll. Um deutlich zu machen, was mit diesem Begriff,
der keinen negativen Beigeschmack hat und auch politisch nicht belastet
ist, gemeint ist, möchte ich kurz auf einige Gedanken aus dem Vortrag
von Bolz eingehen.
Nach Bolz kennzeichnet die Kultur des Humanismus, daß sie versucht
"die Welt in Sprache zu verwandeln" (Humboldt). Damit versucht sie bzw.
der Mensch aber auch, die Welt der Sprache zu unterwerfen. Der Mensch denkt
in der Sprache, und auch die Einbildungskraft, die Phantasie des Menschen
ist dem Sprachsinn unterworfen. Kunst ist sozusagen sprachlich. Und mit
dieser Kunst wurde eine andere Natur entworfen, die die gegebene übertreffen
sollte.
Diese Kultur des Humanismus hat eine starke Tradition und wirkt heute
noch nach. Sie wird in unserer Zeit abgelöst durch eine neue Kultur,
die an die Stelle des Literarischen das Numerische setzt, eine Kultur der
Mathematisierung, die der Computer ermöglicht und vorantreibt, eine
Kultur, die auf Algorithmen basiert. In der Kunst führt diese Entwicklung
zu einer neuen Ästhetik, zu einer anderen Auffassung über die
Rolle des Menschen in der Kunst, über Kreativität, über
das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft. ...
Davon ausgehend, daß mit den neuen Technologien Kunst produziert
wird, heißt das, daß im Sinne der "digitalen Ästhetik"
der Mensch sicher nicht überflüssig ist, der kreative Prozeß
sich aber in anderer Weise vollzieht als zur Zeit des Humanismus: "...der
kreative Prozeß beginnt heute...mit einer generativen Methode, deren
Spielraum man erforscht", "führt... immer tiefer in die Welt des kombinatorischen
Multiplen und der permutationellen Ereignisse hinein". Einfacher gesagt:
Die Anwendung von Algorithmen ermöglicht die Erzeugung (Generierung)
ästhetischer Zustände oder Gebilde, indem eben dieser Vorgang
in viele kleine unterscheidbare und beschreibbare Einzelschritte zerlegt
wird. Ein Anfangsmotiv - das kann in der Musik ein Klang sein - verändert
sich in vielen Variationen, vielleicht bis zur Unkenntlichkeit hin, bis
zur Entstehung von etwas Neuem, dessen Ähnlichkeit mit dem Ursprünglichen
unmittelbar oft nur schwer wahrgenommen werden kann. Oder die Veränderungen
sind so differenziert, daß der Unterschied kaum erkannt wird. In
jedem Fall aber kann die Veränderung rational nachvollzogen werden
und sie kann reproduziert werden, da sie als Programm objektiviert wurde.
Mit diesen Gedanken ist sicher nicht die einzig gültige Kunstauffassung
im Zeitalter der Medien formuliert, doch wird ganz Wesentliches deutlich:
Die neuen Technologien ermöglichen es dem Menschen, seine durch sprachliches
Denken begrenzten Möglichkeiten zu übersteigen, neue Welten zu
erschließen, wo sich Unerwartetes und völlig Neues auftut. Dadurch
wird sich auch die Wahrnehmung des Menschen ändern.
Was hier hauptsächlich von der Video-Kunst gesagt wird, läßt
sich ohne weiteres auf die Elektronische Musik - oder besser Audio-Kunst
- übertragen. Den Lesern des Mitteilungsblattes sind solche Gedanken
nicht ganz neu: Die in vielen Beiträgen vermittelten Reflexionen über
Elektronische Musik und den damit verbundenen neuen Begriff von Kunst bzw.
Musik führten zu ähnlichen Ergebnissen, nämlich daß
die neue Kunst nicht mehr im Sinne der klassischen Kunst menschlich ist.
(1) Norbert Bolz: "Beobachtung des multi-medialen Gesamt-kunstwerks".
Vortrag bei den Marienbadgesprächen in Freiburg, 1994
↑
Peter Kiethe
Elektronische Musik an Schulen
Letztes Schuljahr wurde von mir eine AG zum Thema 'Computer und Musik'
an einem Gymnasium durchgeführt. Dieser Artikel soll ein Erfahrungsbericht
über die Arbeit mit elektronischer, experimenteller Musik an Schulen
sein.
1. Organisation: Es war nicht einfach ein Gymnasium zu finden, das Atari-Computer
installiert hatte. Mit PC's wäre das Projekt nicht möglich gewesen,
da die MIDI-Schnittstelle an keinem Schulcomputer vorhanden ist. GM-Expander
wurden mir von der Firma Roland zur Verfügung gestellt. Als Software
wollte ich Cubase und GFA-Basic verwenden. Die Firma Steinberg war nach
mehrmaligen Telephonaten bereit, mir einige Programme auszuleihen. Leider
bekam ich diese Programme nie. Der zuständige Informatiklehrer wollte
einen Klassensatz der Programmiersprache GFA-Basic kaufen. Auch dies klappte
nicht, da die Firma uns nie ihre Programme zustellte. Aus diesem Grund
mußten wir mit einer älteren Programmversion arbeiten. Durch
die Zusammenarbeit mit der Firma Roland war es schließlich möglich,
6 Arbeitsplätze mit Computer, Expander und Software anzubieten.
2. Die Schüler: An jedem Arbeitsplatz sollten zwei Schüler
arbeiten. So mußte die Zahl der Interessierten auf 12 begrenzt werden.
Selbst nach intensiver Werbung von mir und von der Schulleitung gab es
nur 6 Anmeldungen. Gründe hierfür sehe ich in der Interessenlosigkeit,
ungünstige Zeit (nachmittags) aber auch in Vorurteilen gegenüber
moderner Technik.
Wie zu vermuten, setzten sich die 6 Mitwirkenden aus 6 Jungen zusammen.
Ziel dieser interessierten Schülergruppe war es zunächst einmal,
'gute Musik' zu machen. 'Gute Musik' hieß bei den Schülern natürlich
Popmusik, Techno, Rap, Heavy Metall, usw..
3. Die Arbeit: In der ersten Stunde stellte ich einige algorithmische
Kompositionen vor und ließ die Schüler damit experimentieren.
Die Begeisterung und die Neugier war sehr groß. Trotzdem wurde die
Frage gestellt, ob man damit auch 'gescheite' Musik machen könne.
Dieser Wunsch durchzog die gesamten Stunden, und es wurde viel darüber
diskutiert, was den 'gescheite Musik' sei. "Das muß sich halt schön
anhören." "Da gibt es ja gar keine schöne Melodie." "Is' ja ganz
nett, aber das ist doch keine Musik." Äußerungen wie diese vielen
zu Hauf. Immer wieder wurde versucht, mit den unbegrenzten Mitteln der
neuen, elektronischen Musiktechnologien, alte traditionelle Musikformen
nachzuahmen. So gab sich ein Schüler viel Mühe, ein Programm
zu schaffen, das eine Tastatur am Bildschirm zeichnet, die auf Mausklick
reagiert. Zwei andere Schüler programmierten eine Art Sequenzerprogramm,
um hiermit 'Alle meine Entchen' abspielen zu lassen. Aber nicht nur negative
Erfahrungen sind zu berichten. So programmierte der Schüler, der zu
Anfang ein Tastaturprogramm entwickelt hatte, gegen Ende der AG eine vorher
selbstgestaltete graphische Partitur nach. Eine andere Gruppe von Schülern
kreierte ein Programm zur Visualisierung und Eingabe von kurzen Tonhöhenabläufen
unter Einbeziehung des Parameters Panorama.
4. Fazit: Trotz aller obengenannten negativen Erfahrungen möchte
ich hier ein positives Resümee ziehen. Es ist sicher nicht so, daß
die Schüler aufgrund der AG ihr Konsumverhalten umgestellt haben und
mit Begeisterung nur noch elektronische Musik hören. Trotzdem glaube
ich, daß sie einen Schritt weitergekommen sind. Aus anfänglicher
Ablehnung und Intoleranz entwickelten sich im Verlauf der AG Aufgeschlossenheit
und Akzeptanz. Auch wenn die Schüler sich aufgrund der AG nicht in
ihrer Freizeit mit der 'Komposition' neuartiger Klänge beschäftigen,
so werden sie sicher mit offeneren Ohren neuartigen Dingen gegenüberstehen.
Vielleicht führt das auf ihrem weiteren Lebensweg dazu, daß
sie eines Tages bei uns in der Steinhalle sitzen und den Klängen phantastischer
Syntheseformen lauschen. Ein kleines Häuflein wird es sicher bleiben,
aber wieso auch nicht. Klein aber fein.
↑
Walter und Anne Birg
Bausteine algorithmischer Komposition N+2
Eine andere E-Musik
Die EM hat gegenüber der herkömmlichen Musik ein außerordentliches
Spektrum an Freiheiten. So ist es dem Komponisten oder Produzenten der
EM möglich, Oszillatoren mit beliebigen Frequenzen einzusetzen. Dies
war mit Saiteninstrumenten zwar ebenfalls möglich, jedoch ist es erst
durch den Computereinsatz möglich geworden, jede (im Hörbereich
liegende) Oszillatorfrequenz exakt zu kontrollieren und künstlerisch
zum Einsatz zu bringen.
Nun könnte man sich bequem zurücklegen und sagen: Jede Frequenz
steht zur Verfügung, also wird der gesamte Frequenzbereich benutzt.
Die Entwicklung der Musik zeigt jedoch, daß es zu allen Zeiten
eine Skaleneinteilung gegeben hat, die das Kontinuum der Töne gliederte
und damit eine künstlerische Verwendung der Tonhöhen erlaubte.
(Die Sirene, ein Instrument, welches alle Zwischenfrequenzen zu erzeugen
gestattete, war niemals ein Musikinstrument der Wahl).
Stehen wir nun vor dem Gesamtbereich der Tonfrequenzen zwischen 16
und 20000 Hz, so kann man sich eine Einteilung des Frequenzbereiches nach
ganz verschiedenen Möglichkeiten wählen. Z.B. könnte man
alle 20001 ganzzahligen Frequenzen von 0 bis 20000 Hz benutzen. Diese Einteilung
wäre jedoch in hohem Grade willkürlich, ja sie würde bei
hohen Frequenzen sich von dem Sirenenmodell in praktisch nichts unterscheiden:
16000 Hz und 16001 Hz sind für das menschliche Ohr nicht unterscheidbar,
dagegen 1 Hz und 2 Hz liegen - zwar nicht mehr hörbar - eine Oktave
auseinander!
Wie soll man nun das Frequenzspektrum wählen?
Da das Ohr logarithmisch arbeitet muß - soll äquidistant
eingeteilt werden - zwischen jeder benutzen Frequenz ein konstanter Faktor
liegen. Doch wie groß soll dieser Faktor sein?
In der westlichen Musik wird für diesen Faktor seit der genialen
Entdeckung Andreas Werkmeisters Ende des 17. Jahrhunderts der Faktor W=1.059=
12. Wurzel aus 2 benutzt, d.h. die Oktave wird geometrisch in exakt 12
gleiche Teile eingeteilt und damit ist jeder Halbton rund 6 Prozent höher
als sein tieferer Nachbar.
Wie ich an anderer Stelle (ZeM-Workshops "Physik und Musik") schon mehrfach
dargestellt habe, ist dieser Faktor absolut nicht willkürlich, sondern
ein Glücksfall der Natur: Nur mit diesem Faktor wird die Oktave so
eingeteilt, daß ein Maximum an Obertönen innerhalb der Oktave
liegen und die Tonzahl innerhalb der Oktav kleiner als 20 und damit überschau-
und spielbar wird!
Was bedeutet dies für die EM?
Die EM könnte dies alles, wie oben gesagt ignorieren, da sie auf
Obertöne, Gleichverteilung, Spielbarkeit usw. keine Rücksicht
zu nehmen braucht. Jedoch - solange der Mensch Rezipient ihrer Werke ist
- sollte sie sich ebenfalls Gedanken machen wie der riesige Kosmos von
Frequenzen gegliedert werden soll.
Mein Vorschlag ist nun folgender: Benutzen wir einen anderen Faktor
W als die herkömmliche Musik! Dieser Vorschlag ist zwar nicht neu
- Stockhausen hat schon andere Faktoren wie 25te Wurzel aus 2 genommen
- jedoch blieb immer ein ungutes Gefühl, da der Faktor relativ beliebig
genommen und die Oktave meist beibehalten wurde. Ich schlage vor, eine
neue 'Oktave' zu benutzen und diese dann geometrisch äquidistant einzuteilen.
Es ist nämlich nicht unbedingt notwendig, das Intervall, das man
als neue "Oktave" benutzt, mit dem ersten Oberton gleichzusetzen! Das heißt:
anstelle des Faktors 2 der Oktave kann ein anderer Faktor w1 genommen werden,
also z.B. 3 oder 5.678.
Um hier möglichst willkürfrei zu bleiben, sind Werte zu benutzen,
die in der Natur als Konstante vorkommen. Es bieten sich die Faktoren e=2.71828...
als Basis der natürlichen Logarithmen an oder Pi=3.141549..., das
Verhältnis von Umfang und Durchmesser des Kreises.
Wählen wir uns e als neuen Faktor: Damit ist unser musikalischer
Kosmos festgelegt. Wollen wir nun diese neue Oktave gleichmäßig
einteilen indem wir möglichst viele Obertöne treffen, so müssen
wir - der Grundton habe die Frequenz 1 - die Obertöne 2, 3/e, 4/e,
5/e, 6/e, 7/(e*e), 8/(e*e) usw. optimal, d.h. mit vorwählbarer Genauigkeit
(in unserem Fall1 +-2.5%) treffen. Schreibt man ein kleines Computerprogramm,
das dieses leistet, so erhält man bei einer Skala von 10 Tönen
zwischen der neuen e-Oktave die optimale Einteilung (Tab 1) - genau wie
man bei der 2-Oktave bei einer 12-Teilung die optimale Teilung erhält.
Wie klingt nun das ganze? Am Sonntag, den 16. Oktober [1994] werden
wir es wissen. Dann nämlich wird das erste Stück e-Musik erklingen.
E-Oktave |
in |
2 |
Teile |
geteilt |
Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
00,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
3 |
Teile |
geteilt |
Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
00,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
4 |
Teile |
geteilt |
Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
00,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
5 |
Teile |
geteilt |
4 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
80,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
6 |
Teile |
geteilt |
Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
00,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
7 |
Teile |
geteilt |
2 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
28,6 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
8 |
Teile |
geteilt |
2 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
25,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
9 |
Teile |
geteilt |
2 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
22,2 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
10 |
Teile |
geteilt |
8 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
80,0 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
11 |
Teile |
geteilt |
4 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
36,4 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
12 |
Teile |
geteilt |
2 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
16,7 |
% |
! |
E-Oktave |
in |
13 |
Teile |
geteilt |
8 Obertonübereinstimmungen, |
das sind |
61,5 |
% |
! |
usw.... |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Tab. 1
↑
ZeM Sonderausgabe - 60 Jahre Klaus Weinhold
Zum 60. Geburtstag des 1. Vorsitzenden von ZeM Freiburg Klaus Weinhold
erschien eine ZeM
Sonderausgabe
(35 Seiten) im Format des ZeM Mitteilungsheftes. Neben
Grußworten enthält diese Ausgabe alle Artikel von Klaus Weinhold
einschließlich eines Interviews, die in den bisherigen Mitteilungsblättern/-heften
erschienen sind. Ein Zeitungsausschnitt über eine Veranstaltung von
1985 und eine Fotografie aus den Anfängen (1982) runden die Ausgabe
ab.
Interessierte, die diese Sonderausgabe noch nicht bekommen haben, können
diese bei der Redaktion für DM 5,- nachbestellen.
Da das Mitgliedertreffen am 29. Juni noch in den alten Räumen von
ZeM College stattfinden konnte, wurde der Juni-Termin dazu genutzt, den
Abschied aus den "alten" Räumen zu begehen und zugleich den Geburtstag
von Klaus Weinhold dort zu feiern. Den anwesenden Mitgliedern wurde die
Sonderausgabe überreicht. Der Verein machte Herrn Weinhold eine Kiste
Wein "Elektronische Spätlese"mit ZeM-Etikett zum Geschenk.
↑
Rückseite
|