ZeM Mitteilungsheft Nr. 13 - Januar 1994
Redaktion: Corinna Uhl
Editorial
Wie einige Mitglieder und Leser dieser Zeitschrift schon festgestellt haben werden, hat sich
die Ausgabe der ZeM-Mitteilungshefte um einen
Monat verschoben. Grund dafür ist die Absicht,
die Hefte jeweils am Anfang eines Quartals herauszugeben. Dies bedeutet für die weiteren
Ausgaben folgende Erscheinungsdaten: Nr. 14 im
April, Nr. 15 im Juli, Nr. 16 im Ohober.
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Gerda Schneider
Ein ZeM-Wochenende
Am 20. und 21. November fand für Mitglieder des Vereins und Gäste
ein Wochenende in dem Fachschaftshaus der Universität am Schauinsland
zum Thema Elektronische Musik statt. Eine erfreuliche Anzahl von Mitgliedern
hat sich angemeldet und fast alle kamen. Einziger Gast war am Samstag nachmittag
Herr Gross, Musikpädagoge am St. Ursula-Gymnasium in Freiburg, dessen
Teilnahme von allen Anwesenden als großer Gewinn angesehen wurde.
Der folgende Bericht versucht, den Gang der Diskussion nachzuzeichnen,
so sachlich wie möglich und mit dem Bemühen, die Schwerpunkte
und Positionen entsprechend herauszuarbeiten.
Samstag, 20.11.93
Nach einem kurzen Spaziergang in der klaren Winterluft auf dem verschneiten
Schauinsland eröffnete Herr Weinhold die Tagung gegen 16h, indem er
die Anwesenden begrüßte und eine Einführung in die Thematik
des Treffens gab. Zunächst wurde nach dem Grund für die Diskussion
gefragt und damit die Frage der Wahrnehmung von Wirklichkeit verknüpft.
Er bewertete die Elektronik, durch die sich eine neue Welt auftue, als
evolutionären Quantensprung. Um deutlich zu machen, daß die
Elektronik den Musiker vor völlig neue Aufgaben stelle, wurde ein
vergleichbares Beispiel aus der Musikgeschichte gewählt: Die Orgel
als neues Instrument führte zur Entstehung einer neuen Art von Musik,
die sich von der klassischen Vokalität völlig absetzte. Mit der
Elektronik sei jedoch ein grundlegendes Problem entstanden, da sie nicht
nur eine Erweiterung des abendländischen Musiksystems bringe, das
fast auf der ganzen Welt akzeptiert werde (Beispiel Dur-Skala), sondern
das bisher Anerkannte evolutioniere, dadurch daß sie alles möglich
mache (z.B. alle möglichen Skalen). Daran schließe sich die
Frage an, wie ein EM-Musiker sich dazu stellen solle und warum so viele
Menschen von diesem Neuen nichts wissen wollten. Es sei die Frage nach
einer philosophischen Begründung der Elektronischen Musik. Eine Antwort
auf die Ablehnung sah er in dem Problem der Offenheit, z.B. der Anfangs-
und Schlußlosigkeit der Stücke, die den neuen Theorien über
den Kosmos entsprächen.
Die nun beginnende Diskussion wurde von Herrn Birg eingeleitet, der
sich für das Prinzip der Offenheit und Toleranz aussprach, die herkömmlichen
Systeme einbezogen sehen und durch einen Ausbau des alten Systems mit den
neuen Geräten alle Möglichkeiten nutzen wollte. "Verbotsschilder"
wurden von ihm grundsätzlich abgelehnt. Herr Löhle dagegen formulierte
seinen Standpunkt mit der Frage, ob die neuen Möglichkeiten nicht
eine neue Musik forderten. Herr Stange brachte die Problematik auf 3 Aspekte:
den materiellen (Ausgangspunkt sei das Instrument), den ideellen (Ausgangspunkt
sei die Idee, die Aussage) und den gesellschaftlichen (Veränderung
der Hörgewohnheiten). Herr Gross verwies auf die grundsätzliche
Begrenztheit, die schon dadurch gegeben sei, daß man sich mit einer
Sache beschäftige, in unserem Fall die Elektronische Musik. Die Ausdrücke
"kopernikanische Wende" und "qualitativer Sprung" für die Elektronische
Musik wollte er zumindest in Frage gestellt sehen. Als Antwort darauf nannte
Herr Weinhold die "drei großen Beleidigungen des Menschen" durch
Kepler, Darwin und Freud und verglich diese mit der Beleidigung durch die
neue Musik. Da sich aber, so Herr Birg, das auditive System des Menschen
in den letzten 3000 Jahren nicht verändert habe, müsse man sich
fragen, ob das neue Hören dem Menschen zugemutet werden könne
und solle, ob die neue Musik, z.B. Sirenklänge, vom Menschen noch
als Musik wahrgenommen werde. Um zu unterstreichen, daß es sich beim
Hören auch um Gewohnheiten handle, die geändert werden könnten
und sich im Verlauf der Geschichte auch verändert hätten, wurde
als Beispiel die Einführung der temperierten Stimmung genannt. Als
ein weiteres Argument gegen eine extreme neue Musik wurde von Herrn Birg
darauf verwiesen, daß das Neue nur in Bezug auf das Alte als neu
begriffen werden könne. Er sah zwei grundsätzliche Möglichkeiten,
das Neue zu realisieren: a) alte Klänge mit neuen Strukturen und b)
neue Klänge mit alten Strukturen. Daraus ergebe sich natürlich
noch die dritte Möglichkeit, nämlich neue Klänge in neuen
Strukturen. Die beiden ersten Möglichkeiten seien jedoch vorzuziehen,
da sie dem Hörer weniger abverlangten. Herr Löhle dagegen erkannte
in der dritten Möglichkeit die eigentliche, die zu einer neuen Ästhetik
führe. Gehe man von der dritten Möglichkeit aus und versuche
das Alte zu vermeiden, so könne dies durch den Einsatz der "Maschine"
am besten erreicht werden.
Der Gedanke an eine in diesem Sinne selbständig arbeitenden Maschine
wurde als faszinierend bezeichnet. Da das Neue durch Zufall entstehe, komme
dem - wenn auch gefilterten - Zufall in der neuen Ästhetik eine wichtige
Rolle zu. Unterschiedlich waren Auffassungen darüber, wieweit aus
den Zufallsergebnissen ausgewählt werden solle.
Nach dem Abendessen wurde an die Frage der Auswahl wieder angeknüpft
in Verbindung mit der Frage nach der Erwartung des Publikums. Nehme man
sich die Natur als Vorbild und sehe in der Imitation der Natur die Aufgabe
der Kunst, sei die Frage noch nicht gelöst, da die Antwort davon abhänge,
welche Natur gemeint sei: die vordergründig sichtbare, oder die der
Kristalle, der Moleküle, Atome, Teilchen? Die uns chaotisch erscheinende
Natur oder die dem bloßen Auge verborgene Natur einer weitgehend
hierarchischen Ordnung? Wer die Natur zeigen wolle, wie sie ist, könne
auf die Erwartung des Publikums, seine Reaktionen und Gefühle keine
Rücksicht nehmen. Die Meinungen darüber, ob Reaktionen und Gefühle
archetypisch seien oder durch eine erlernte- musikalische - Sprache vermittelt
werden, waren verschieden. Einigkeit bestand darin, daß die Wirklichkeit
eingeschränkt würde, wenn das Neue nicht angeboten würde.
Abschließend wurden als Kriterien der Elektronischen Musik herausgearbeitet:
- keine festen periodischen Tonhöhen
- komplettes Frequenzspektrum
- kein Metrum und kein Rhythmus im Sinne eines festen Taktes
Sonntag, 21.11.93
Nun ging es darum, die Ergebnisse der Diskussion im Hinblick auf den
Verein auszuwerten.
Für alle Anwesenden war der Zusammenhang von Physik und Musik
sowie die Bedeutung der modernen Physik für unser Weltbild noch deutlicher
geworden. Dies führte zu dem von allen angenommenen Vorschlag, den
Autor des Buches "Vom der mechanistischen Welt zum kreativen Universum",
Kanitscheider, versuchen einzuladen. Im weiteren wurde das Ergebnis auf
der einen Seite darin gesehen, neue Strukturen zu erzeugen nach eigenen
Kriterien und ohne Vorschriften, was Einbeziehung der tonalen Strukturen
ohne Begrenzung bedeute, die andere Seite dagegen lehnte eine Vorherrschaft
der tonalen Strukturen ab, da diese in der Natur nur einen sehr kleinen
Prozentsatz ausmachten und durch diese das Neue eingeschränkt werde.
Ebenso akzeptierte die andere Seite keine Unterscheidung zwischen Klang
und Textur, insofern als der Klang zugleich die Textur sei. Assoziationen
zum Traditionellen sollten ihrer Auffassung nach vermieden werden. Entsprechend
wurde die Frage der Toleranz, des Zugehens auf den Zuhörer beantwortet.
Einig waren sich alle darin, daß dem Zuhörer Hilfen gegeben
werden sollten, und das heiße z.B. an einer besseren Präsentation
arbeiten. Dazu wurden auch gleich einige praktische Vorschläge gemacht
(Erläuterungen, Einführungen, "dem Hörer etwas an die Hand
geben", mehr Gespräche mit Hörern).
Zum Schluß wurde noch einmal verdeutlicht, daß den oben
genannten Auffassungen verschiedene Weltbilder zugrunde liegen, die mit
der Beziehung zur Klassik (als historisches oder zugleich existentielles
Phänomen) charakterisiert werden können.
Was hat nun dieses Wochenende gebracht?
Trotz der inhaltlichen Differenzen verlief die Diskussion in sehr angenehmer
Atmosphäre und sehr diszipliniert. Dazu hat sicher auch die schöne
Umgebung beigetragen, in besonderem Maße aber der Umstand, daß
wir diesmal nicht unter Zeitdruck standen. Wir waren gut untergebracht,
wurden gut versorgt und konnten uns so ganz den Themen der Diskussion widmen.
Eine Annäherung der Standpunkte hat zwar nicht stattgefunden, vieles
blieb offen, doch wurde der Standpunkt des anderen deutlicher und verständlicher.
Jeder hat durch das spezielle Wissen der anderen dazugelernt und Anregungen
empfangen, für die er dankbar ist. Alle Teilnehmer bewerteten dieses
Wochenende als ein gelungenes Experiment, das wiederholt werden sollte.
Der Dank richtete sich in erster Linie an Herrn Birg, der dieses Experiment
initiiert und mit Ausdauer verfolgt hat.
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Jens Bendig
Offener Kanal
Bereits in einem früheren kurzen Artikel
habe ich auf die Möglichkeiten des Offenen Kanals aufmerksam gemacht,
der ab '94 voraussichtlich seinen terrestrischen Radio-Sendebetrieb aufnehmen
wird (terrestrisch: Empfang über Antenne!). Das Radio ist ein ideales
Öffentlichkeitsmedium auch für Klangschaffende. Da ich sowieso
mit Sendebeginn mehrere Sendungen über Homerecording-Ergebnisse bringen
werde, könnte ich auch mal eine Sondersendung über das ZeM und
seinen akustischen Output machen. Wer daran Interessiert ist, dem Zem ein
Image in der Öffentlichkeit zu verschaffen, der möge mir bis
zum 28. Januar 1994 seinen Beitrag (max. 10 Min) schicken. Das heißt,
nach besagtem Stichtag fange ich entweder mit der Produktion der Sendung
an, oder wende mich anderen Projekten zu. (Diese betonte Härte bei
dem Stichtag ist ein Ergebnis meiner Erfahrungen mit den Homerecording-Sendungen...)
Wie sendet man mir seinen Beitrag zu? Schickt mir auf jeden Fall ein
Stück Audio-Material, das ich senden soll. (High-speed-Tape mit oder
ohne Dbx, DAT, oder Low-Speed-Tape ohne Rauschunterdrückung). Legt
bitte begleitendes Material bei, mit dem ich die Hörer zusätzlich
informieren kann (Entstehung des Beitrages, oder was Euch wichtig ist).
Am besten ist, wenn ihr auch noch etwas dazu auf Band sprecht, Euch und
eure Arbeit z.B. kurz schildert und wie Ihr Euch das ZeM vorstellt. Ich
brate dann daraus pro Teilnehmer einen 5 - 10minütigen Beitrag zusammen.
Meine Adresse : Jens Bendig, Danziger Str. 13, 28790 Schwanewede, Tel.
04209/69967. Ich freue mich auf Eure Beiträge und Euer Engagement.
Es handelt sich natürlich um die naheliegende Fortsetzung der Idee:
"ZeM-Sampler-Cassette". Mit diesem Aufruf möchte ich besonders auch
die Freiburger ZeM-Mitglieder ansprechen, von denen ich viel lese aber
leider wenig höre. Ich habe es beim damaligen ZeM-Sampler-Aufruf wohl
auch versäumt, eine ordentliche Information in das Mitteilungsblatt
zu setzen, sorry, diesmal mache ich es besser.
P.S : Wer die Sendung verpaßt hat oder nicht empfangen kann, darf
oder will, der kann bei mir auch eine Cassetten-Kopie der Sendung anfordern
(Postalisch ca. 10 DM schicken oder Cassette und Rückporto schicken).
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ZeM e.V. Freiburg 1993/94
Im Jahr 1993 wurden 3 Veranstaltungen durchgeführt, die unter den
Namen Soundausstellung und Performance zweimal an der PH Freiburg und einmal
in der Steinhalle in Emmendingen stattfanden. Am Wochenende vom 3. und
4. April liefen mehrere Vorführungen parallel: In der Aula lief die
Soundausstellung, während im Raum M110 weitere Mitglieder ihre Produktionen
präsentierten. Höhepunkt dieser Veranstaltung war die Live-Improvisation
von Franz Martin Löhle und Klaus Weinhold auf dem SY 99 (Yamaha) und
dem K2000 (Kurzweil). Tenor der Veranstaltungen an beiden Tagen war, daß
alle Stücke weder einen Anfang noch ein Ende haben. Sie werden immer
nur abgebrochen bzw. unterbrochen und sind somit sozusagen endlos, wie
Herr Weinhold am Ende der Veranstaltungen kommentierte.
Tragisch begann der Morgen danach: Die Aula, in der am Tag zuvor noch
Produktionen vorgestellt wurden, brannte aus. 10 Jahre lang diente sie
als einer unserer wichtigsten Aufführungsorte, schon lange bevor ZeM
existierte. Wehmütig werden wir uns an sie erinnern.
Am 16. und 17. Oktober fand die 2. Veranstaltung, fast schon traditionell,
in der Steinhalle in Emmendingen statt. Während am Samstag die Besucherzahl,
wohl wegen des permanent strömenden Regens, doch etwas zu wünschen
übrig ließ, konnten wir uns am Sonntag einer stattlichen Anzahl
erfreuen.
Die letzte Performance und Soundausstellung des Jahres 1993 fand wiederum
an der PH Freiburg statt; diesmal wurde in den Räumen des Musiktraktes
und dem großen Hörsaal unterhalb der ausgebrannten Aula aufgeführt.
Der Aula-Brand hat die Vorführmöglichkeiten doch sehr stark
eingeschränkt, da bis dato noch kein entsprechender Ersatz gefunden
werden konnte. Dennoch sind für 1994 zwei Veranstaltungen geplant:
an der PH Freiburg im April und in der Steinhalle Emmendingen im Oktober.
ZeM e.V. Bremen 1994
Am 12. Februar 1994 findet ein Konzert im Rahmen eines Bremer Symposion
mit internationalen WissenschaftlerInnen zum Thema "Chaos und Kreativität"
statt.
Dabei von Erwin Koch-Raphael: "to open ears" für Baßklarinette,
NeXT-Computer und 4 DAT- Recorder (UA der Fassung für Baßklarinette).
Mitwirkende bei "to open ears" sind Ulrich Mückenberger (Baßklarinette),
Gerd Anders, Jörn Brinkhus (ZeM), Christoph Ogiermann und Georg Sichma
(ZeM) am NeXt-Computer und an den DATPlayern.
Veranstalter ist die "Angestelltenkammer Bremen".
Ort des Konzerts ist die Aula der Hochschule für Künste Bremen
(HfK).
Konzertbeginn ist um 20 Uhr, Ende gegen 23 Uhr mit einer Zaubervorstellung
von ZeM-Mitglied Pierre Chuchana, der zu diesem Anlaß ein eigenes
Programm entwickelt hat, bei dem auch selbsterdachte und selbstrealisierte
Computermusik maßgeschneidert zum Einsatz kommt.
Weitere Besonderheit: "to open ears" wird zweimal in diesem Konzert
gespielt, um die Tatsache, daß "to open ears" in offener Form komponiert
ist, auch fürs interessierte Publikum erlebbar zu machen.
Eine weitere Uraufführung von Erwin Koch-Raphael wird zu hören
und zu sehen sein in diesem Konzert: die Performance "Löwen im Garten",
innerhalb der das Trio "composition no.47" durch Mitglieder der Deutschen
Kammerphilharmonie gespielt wird und zugleich die Bremer Bläsergruppe
"Lauter Blech" Klänge, Aktionen und andre Performance-Elemente einbindet.
Dieses Stück entstand im Auftrag der "Angestelltenkammer Bremen" im
Herbst 1993 und ist inzwischen erschienen beim Musik- und Bühnenverlag
Bote & Bock in Berlin.
Betreuung der künstlerisch-technischen Seite durch ZeM Bremen
e.V.
ZKM in der Fabrik
Unter diesem Titel läuft seit 1992 eine Veranstaltungsreihe, die
sich als Forum für Neues und Experimentelles versteht. Jeden ersten
Mittwoch im Monat finden elektronische Musik, zeitgenössische Kunst
in Verbindung mit elektronischen Medien und manches, was sich gegen gewohnte
Befriffskategorien sperrt, hier ihr Publikum. Arbeiten aus dem ZKM, aber
auch von außerhalb; Musik- und Hörstücke, Installationen,
Performances, Videos und Klangräume.
Die Veranstaltungen finden jeweils um 20 Uhr in der Fabrik, Lorenzstraße
statt.
Hörstunde
In der ZKM-Mediathek entsteht mit IDEAMA die wohl umfassendste Sammlung
elektroakustischer Musik von den Anfängen bis zur Gegenwart weltweit.
Historische Tonbänder werden in internationaler Kooperation am ZKM
digitalisiert und so vor dem Verfall gerettet. Die Hörstunden möchten
jeweils einige dieser musikalischen Kostbarkeiten der Öffentlichkeit
vorstellen und damit einen kleinen Vorgeschmack auf einen wichtigen Bereich
der 1997 im neuen Domizil zu eröffnenden Audiothek geben. Zum besseren
Verständnis wird die Musik kurz in ihrer Entstehung und ihrem geschichtlichen
Kontext erläutert, im Anschluß an die Vorführung wird die
Gelegenheit zur vertiefenden Diskussion bestehen. Die Hörstunde wird
zusammengestellt und erläutert von Thomas Gerwin.
Hörstunde (1), 22.02.94 20 Uhr, Fabrik
Aus den Anfängen der musique concrete
Musik aus dem frühen O.R.T.F.-Studio Paris
Hörstunde (2), 15.03.94 20 Uhr, Fabrik
Aus den Anfängen der elektronischen Musik
Musik aus dem frühen WDR-Studio Köln
Hörstunde (3), 17.05.94 20 Uhr, Fabrik
Die elektronische Musik des Hermann Heiß
Der elektroakustische Nachlaß des deutschen Komponisten Hermann
Heiß (1897-1966)
Ein Konzept wird Form
Unterschiedliche Veranstaltungen werfen Schlaglichter auf die künftigen
Themenbereiche des Medienmuseums. Zwei Ausstellungen, Performances, Rauminstallationen
sowie ein Symposium stellen in eigenwilliger Weise einige Aspekte der Herkunft
und Sinnlichkeit elektronischer Welten zur Diskussion.
Mienen-Spiele (About Faces), 20.5. - 3.7.94
Das Medienmuseum zu Gast im Badischen Landesmuseum, Museum beim Markt,
Karl-Friedrich-Straße 6.
Von den bewegten Ursprüngen des bewegten Bildes, 20.5. - 3.7.94
Unterkirche der Ev. Stadtkirche, Marktplatz
Der japanische Medienkünstler Toshio Iwai kommentiert seine Arbeiten.
Die Sinnlichkeit des Unsinnlichen, 2.6. - 30.6.94
Fabrik, Lorenzstraße,
von Olaf Arndt, Rob Moonen, Eric Hobijn
Die Neue Medien - museumsreif?, 15.6.94
Staatliche Hochschule für Gestaltung, Hörsaal, 10 Uhr, Durmersheimer
Straße 55
Geschichte, Theorie, Konzepte, Öffentliches Symposium
Das Medienzentrum im ZKM stellt sein Konzept vor und diskutiert mit
namhaften Medientheoretikern und -praktikern die Möglichkeiten, "Medien"
auszustellen.
* Die Informationen sind aus dem Prospekt des ZKM zitiert.
Das Prospekt des ZKM kann bei der Redaktion oder bei ZeM e.V. Freiburg
eingesehen werden.
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Gerda Schneider
Eine andere Konsequenz
Betr: Die Inakzeptanz moderner Musikinstrumente
Der Artikel von W. Birg „Die Inakzeptanz moderner Musikinstrumente”
im MT Nr. 12 vom Oktober 1993 beschäftigt sich mit einem für
die Elektronik fundamentalen Problem, das unter verschiedenen Perspektiven
betrachtet werden kann. Es geht darum, daß moderne Komponisten die
modernen Geräte ablehnen bzw. darum, daß moderne Geräte
sich auf dem Markt nicht halten können und deshalb für Komponisten
nach einer gewissen Zeit nicht mehr zur Verfügung stehen. Aus dieser
Situation kann nun zu Recht eine Folgerung gezogen werden, wie W. Birg
das tut, nämlich von den Herstellern der Musikinstrumente verbindliche
Konstruktionsbeschreibungen fordern, die jederzeit die Reproduktion der
Geräte ermöglichen und damit auch eine Aufführung der Komposition.
Man kann hier aber auch folgende Überlegungen anstellen:
Für die Erstellung einer Komposition ist es ohne Zweifel entscheidend,
welche Instrumente zur Verfügung stehen. Daher muß das Verschwinden
der "alten" Instrumente als ein großer Verlust angesehen werden,
und es ist sehr verständlich, wenn Komponisten sich diesem ständigen
Wandel nicht unterwerfen wollen. Diese Situation soll nicht beschönigt
werden, es darf aber auf der anderen Seite auch nicht ein verklärtes
Bild der Vergangenheit entstehen. Denn wenn z.B. die Komponisten der Klassik
ein Werk für Orchester schrieben, so entstand ein Werk für einen
Klangkörper, der immer wieder anders klang, je nachdem wer der Dirigent
war, welche Musiker in diesem Orchester spielten und in welcher Zeit das
Werk aufgeführt wurde. Nun kann man das Orchester als Klangkörper
mit dem Synthesizer durchaus vergleichen, und so wie die Aufführung
eines klassischen Werkes mit einem anderen Orchester und unter einem anderen
Dirigenten zu einem anderen Klangerlebnis wird, so verändert sich
der Klang natürlich auch, wohl sehr viel stärker, wenn andere
moderne Klangerzeuger verwendet werden. Das kann negativ sein, aber es
muß nicht. Denn das neue Klangerlebnis kann auch Impulse geben und
zu einer Erweiterung führen.
Vorausgesetzt wird bei diesen Überlegungen, daß die modernen
Geräte nicht spurlos vom Markt verschwinden, sondern daß sie
durch andere modernere ersetzt werden, die z.gr.T. die Funktionen der alten
Geräte enthalten, oft sogar in verbesserter Form. So kann es durchaus
sein, daß sich mit neueren Geräten die Klänge besser realisieren
lassen, so wie auch der Klang einer Symphonie verbessert und erweitert
werden kann, wenn sie mit einem Orchester unserer Zeit aufgeführt
wird. Genau genommen entsteht eine solche Metamorphose schon bei jeder
Aufführung eines klassischen Werkes. Denn wenn auch die klassischen
Komponisten in der Regel ihre Werke für bestimmte Instrumente, z.T.
auch Sänger und Sängerinnen schrieben, so ist doch jede Aufführung
ihres Werkes eine vielleicht einmalige Interpretation, die es so nicht
wieder gab und geben wird. Im Unterschied zu unserer Zeit hatten sie jedoch
nicht die Möglichkeit der Konservierung einer Aufführung. Wenn
dagegen in unserer Zeit ein Komponist ein Werk für bestimmte moderne
Instrumente schreibt, die es gerade auf dem Markt gibt, so kann er für
alle Zeiten die Realisation seines Werkes sichern, und zwar die authentische,
sei es auf Tonband, Kassette oder Disc. Und genau diese Realisation kann
er immer wieder vorführen in einer modernen Form der Präsentation,
die sich von der Ausführung durch Interpreten befreit hat. Im Unterschied
zu den Komponisten der Klassik ist ein moderner Komponist nicht auf eine
Reproduktion angewiesen, sondern kann sein Werk mit Hilfe moderner Medien
hörbar machen.
So ist es zwar nicht für die Erstellung einer Komposition, wohl
aber für die Aufführung eines Werkes von zumindest untergeordneter
Bedeutung, ob die Instrumente noch zur Verfügung stehen oder vielleicht
nur mit großem Glück antiquarisch noch zu haben sind. Wichtiger
wird für die Vorführung die Qualität der Lautsprecher, deren
Anordnung im Raum u.ä. Dieser Gedankengang führt letztlich dazu,
daß der Abschied von der klassischen Aufführungspraxis gefordert
werden muß. Die Folgerung heißt positiv formuliert: Vorführung
moderner Musik in neuen und modernen Formen.
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Daniela Hodapp
Schauinsland, Fachschaftshaus, Diskussionswochenende
Am 20. und 21.11.93 fand ein Diskussionswochenende im Fachschaftshaus
statt.
Zu Beginn stellt sich hierbei natürlich die Frage: Ist hier eine
Diskussion notwendig? - Oder kann man hier "eine" Frage stellen? Eine Vielzahl
von einzelnen Themengebieten können hierbei behandelt werden - welche
Frage ist die "Wichtigste", wo soll man anfangen: Computer und Musik ...
hierbei bleibt sehr vieles offen. Es ist festzustellen, daß das gesamte
Wochenende ohne festgelegten Themenrahmen sehr frei und interessant verlief.
Es ging nicht darum, der Weisheit letzten Schluß zu finden, sondern
verschiedene Meinungen zu hören und sich mit dem Thema in entspannter
Atmosphäre auseinanderzusetzen - was gelungen ist.
In diesem Artikel sollen also nicht "die" Ergebnisse behandelt werden,
welche vielleicht von solch einer Diskussion erwartet werden könnten.
Vielmehr soll jenen, die an diesem Wochenende leider nicht anwesend sein
konnten, ein Überblick über das Besprochene in Stichworten gegeben
werden, vielleicht als Anregung, um darüber nachzudenken ... oder
auch einmal mitzudiskutieren ...
Ideologie: Neue Strukturen - Neues Weltbild - Neues Denken. Es ist möglich,
die Wirklichkeit zersetzt in punktueller Instabilität hörbar
zu machen - atonal, somit ohne Rücksicht auf die Gesetze der Harmonie,
welche bei einem unbedarften Hörer gewünscht wird. Soll somit
eine Musik für die Masse gemacht werden? Ist es nicht wichtiger, die
Technik herauszufordern und eine neue Wissenschaft mit neuem Kunstverständnis
- neuen Klängen zu erforschen? Wie viele Stimmungen sind möglich?
Ist es sinnvoll, alles bis zum Ende auszuprobieren? Fordern neue Möglichkeiten
eine neue Musik? Sollen Verbote festgelegt werden - oder ist dies eine
echte Einschränkung für die Arbeit mit dem Computer? Ist eine
mit Computer erstellte harmonische Struktur keine Elektronische Musik?
Was bedeutet für den Einzelnen der Computer - eine Art privates Orchester
oder eher ein Werkzeug als Mittel zum Zweck. Kann oder soll man hierbei
die Vergangenheit der Musik und die Jahrhunderte der Entwicklung vergessen,
um frei davon zu arbeiten? Ist ohne Regeln die Offenheit nicht zu überfordernd?
Ist zuviel Flexibilität gut? Der Mensch muß ein neues Hören
- eine neue Aufmerksamkeit lernen, wenn Toncharakteristiken und Tonarten
verloren gehen, eine unbequemere Art zu hören, da ungewohnt. Viele
empfinden Elektronische Musik schon nicht mehr als Musik - also wozu damit
auseinandersetzen? Der Mensch erwartet Stufen, er ist ein hybrides Wesen,
das meist den Weg des wenigsten Widerstandes geht. Der Mensch ist zu eingeschränkt,
um einen Quantensprung zu machen, das ist jedoch mit den Geräten möglich.
Auch ist ein Zufall - Random - für einen Computer kein Problem, nur
für den Hörer, der eine gewisse Unordnung auch gerade in der
Musik nicht einfach zuläßt - Chaos positiv oder negativ - wer
soll das entscheiden.
Synopse für ZeM:
Wenn Elektronische Musik, dann neue Strukturen nutzen, eine neue Klangarchitektur
- affizierend und abstoßend. Jeder nach eigenen Kriterien, es gibt
keine Verbotszeichen.
↑
Gerda Schneider
Thema für Variationen
entnommen dem Buch "Keplers Traum"(1)
"Der Abend des 24. April in Bologna, im Hause des Astronomen Magini,
versammelt waren die Geistlichkeit und manche aus der philosophischen Fakultas,
nur die erste Granitur. Galilei wollte einen Beweis antreten: Der Jupiter
hat Monde, die Herren möchten sich doch zum Fernrohr begeben, dann
könnten sie diese mit eigenen Augen sehen. In der Bibel steht nichts
von Jupitermonden, soll einer gesagt haben. Ein anderer ergänzte,
deshalb kann es sie auch nicht geben. Aristoteles hat nie von den Monden
des Jupiter berichtet, wieder ein anderer der gelehrten Herren. Warum sollen
wir durch dieses Rohr dort blicken? Ebenfalls ein studierter Mann.
Da standen diese Herren in ihren Roben, Gewändern, Uniformen,
Maskeraden und lehnten es ab, durch das Fernrohr zu blicken. Galilei wollte
dem unaufhörlichen Disput ein Ende machen: Bitte sehr, sehen Sie doch
selbst! Es ist alles eingestellt. Sie betrachteten das neumodische Gerät,
befühlten es, kein besonders interessanter Gegenstand. Eine Röhre
aus Blei, zwei Gläser an den Enden, was sollte das sein? Der Himmel
ist ja nicht mehr klar, soll einer der italienischen Philosophen gesagt
haben. Das Gerät ist ziemlich wacklig, ein älterer Kirchenmann.
Wer garantiert denn dafür, daß Galileo nicht die gewünschten
Monde einfach auf die Linse gemalt hat - ein hoher Geistlicher, der lieber
zu der Heiligen Schrift zurückkehren wollte, dort ist doch bewiesen,
daß die Erde im Mittelpunkt steht. Denn soviel hatten sie begriffen,
dieser Astronom wagte einen Angriff auf ihr Weltbild. Dann ließen
die Herren den Galileo allein zurück, marschierten geschlossen aus
Maginis Haus, hinaus in die Unwissenheit, die ihnen bequemer war. Vielleicht
hatte doch einer gewagt, durch das Fernrohr zu sehen, aber er konnte nichts
sehen, weil er nichts sehen wollte."
*Jürgen Alberts: Keplers Traum, rororo 1993, S.172f.
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Rückseite
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